Nie hätten wir gedacht, dass es uns – die wir den Norden und kühle Temperaturen lieben – einmal in die Wüste verschlagen würde. Doch nun waren wir hier, in den amerikanischen Ausläufern der Sonora-Wüste, eine der größten Wüstenregion weltweit, und zwar genauer gesagt im Organ Pipe Cactus National Monument. Weiter verwunderlich daran war, dass es uns hier auch noch ausgesprochen gut gefallen hat! Doch wer es einmal in diese faszinierende Landschaft, an der Grenze Mexikos geschafft hat, der wird uns verstehen können – trotz der schweißtreibenden Temperaturen.
Das Organ Pipe Cactus National Monument liegt im Bundesstaat Arizona direkt an der mexikanischen Grenze. 1937 wurde das Gebiet zum National Monument erklärt. National Monuments können schneller zum Schutz von Gebieten (Naturräumen oder historischen Dingen) ausgerufen werden als Nationalparks, da erstere direkt vom Präsidenten deklariert werden können. Für die Schaffung eines Nationalparks dagegen wird auch die Zustimmung des Kongresses benötigt, was somit um einiges länger dauern kann. Finanziell stehen die National Monuments leider schlechter da, als ihre großen Brüder die Nationalparks, doch heißt dies nicht, das sie deshalb von geringerer Bedeutung sind! Sie schützen zwar, im Vergleich zu den Nationalparks, in der Regel eine geringere Anzahl an Besonderheiten, doch nur weil es wenigere sind heißt dies ja noch lange nicht, dass sie nicht umso mehr von Bedeutung sein können. So ist das wohl weltweit bekannteste National Monument die Freiheitsstatue bei New York! Und auch das Organ Pipe Cactus National Monument schützt etwas ganz besonderes, nämlich – wie wohl dank des Namen schon jeder vermutet hat – den Organ Pipe Cactus, zu deutsch den Orgelpfeifenkaktus (Stenocereus thurberi).
Der Orgelpfeifenkaktus kommt in der Sonora-Wüste von Mexiko und den USA vor. In der USA findet man den Kaktus allerdings nur noch in dem National Monument. Der Kaktus ist leicht an seiner typischen Wuchsform zu erkennen: er besteht aus zahlreichen, säulenförmigen Zweigen ohne erkennbaren Stamm und erreicht dabei Höhen von bis zu 8 Metern. Diese Wuchsform erinnert an die Pfeifen einer Orgel, woher der Kaktus seinen Namen hat. Daneben wachsen hier hoch gut 26 weitere Kakteenarten. Die bekannteste davon ist wahrscheinlich der bis zu 15 Meter hohe unter Schutz stehende Saguaro-Kaktus (Carnegiea gigantea), den man vielleicht nicht vom Namen kennt aber mit Sicherheit schon in alten Western oder auf der Sierra Tequila Flasche gesehen hat: ein großer, säulenförmiger Kaktus mit wenigen, nach oben ragenden Seitenarmen, wodurch der Kaktus aussieht wie eine Person, welche die Hände hoch nimmt. Bedenkt man, dass der Saguaro erst mit etwa 40 Jahren blühfähig wird und die ersten Zweige erst mit etwa 64 Jahren erscheinen, steht man noch viel ehrfürchtiger vor diesen ausdauernden Trockenkünstlern. Doch genug von der trockenen Theorie und zurück zu unserem noch viel trockenerem Abenteuer in der Wüste.
Wir machten uns also auf Richtung Süden, immer der mexikanischen Grenze entgegen. Das Land hier war extrem trocken und Gelb- und Brauntöne dominierten das Erscheinungsbild. Je weiter wir gen Süden fuhren, je mehr Kakteen konnte man in der Landschaft bewundern. Mit weit offenen Fenstern fuhren wir durch die Hitze des Tages bis hinunter zum Organ Pipe National Monument – hauptsächlich um die großen Saguaro-Kakteen zu bewundern – diese unverkennbaren Kakteen, die für mich wie keine andere Kaktus-Art für den Wilden Westen und Einsamkeit stehen.
Auf dem Weg zum National Monument gab es nicht viel zu bewundern. Man fuhr durch einige kleinere Dörfchen, die immer mehr mexikanisches Flair aufwiesen und das war es im Großen und Ganzen auch schon. Hauptsächlich gab es hier nur eine langgezogene Straße, tausende von Kakteen und uns, denn kaum ein Auto war hier auf der Straße zu sehen, was für amerikanische Verhältnisse nicht gerade alltäglich war.
Am National Monument angekommen gingen wir zuerst zum Rangerhaus, um nach einem Zeltplatz zu fragen. Das kleine Parkgebäude am Eingang des Monuments war sehr nett: es war voll klimatisiert, es gab Trinkwasser und eine Ausstellung über die Sonora-Wüste und den Park und dessen Bewohner. Doch bevor wir das alles anschauen wollten, hofften wir zuerst, dass es noch ein Plätzchen für uns und unser kleines Gefährt geben würde, denn schließlich war es eine lange Fahrt durchs Nichts gewesen bis hier runter in den Park. Wie sich herausstellte hatten wir Glück, denn es gab noch einen Stellplatz für uns. Naja, genauer gesagt gab es sogar noch alle 200 Stellplätze, denn wir waren die einzigen, die hier campen wollten. Das lag daran, dass in den Wüstenregionen noch Vorsaison war und keiner jetzt in dieser Hitze hier stehen wollte. Im Winter, wenn die Temperaturen um einiges erträglicher waren, konnte es hier richtig voll werden!
Ein ganzes National Monument nur für uns allein? Was konnte es da noch schöneres geben? Wir suchten uns ein nettes, mehr oder weniger schattiges Plätzchen auf dem Campground zwischen Kakteen und anderen Wüstenpflanzen und machten es uns gemütlich. Als erstes erkundeten wir das Gelände und es stellte sich heraus, dass die Duschen hier inklusive waren. „Das musste unser Glückstag sein!“, dachten wir, als wir müde von der Hitze und der Fahrt uns den Staub kurz abwaschen wollten – aber wirklich nur kurz, denn eine Dusche mitten in der Wüste fühlte sich komisch und irgendwie nicht richtig an. Doch es sollte so und so anders kommen als erwartet denn in der Dusche fiel uns als erstes das Warnschild auf, dass groß mit roten Buchstaben verkündete: Achtung, das Wasser wird per Sonnenenergie erwärmt und kann daher sehr heiß sein! Vorsichtig drückten wir testweise den Knopf der Dusche. Zischend stieg heißer Wasserdampf aus dem Duschkopf empor. Die Dusche war nicht nur heiß, sie war kochend heiß! An Duschen war hier nicht zu denken. So musste sich ein Hummer fühlen, der in einen Topf mit kochendem Wasser geschmissen wurde. Egal, dann eben keine Dusche. Bei den Temperaturen wäre man eh sofort wieder verschwitzt und vielleicht ist das Wasser in der Nacht etwas erträglicher. Übrigens war es das auch, nur duschte man dann nicht mehr allein, da sich hier unzählige Insekten und Spinnentiere tummelten – von Gottesanbeterinnen bis Skorpionen war hier alles dabei. Daher entschieden wir uns schnell, dass einmal kurz abduschen für unseren Aufenthalt hier reicht. Das schonte nicht nur die Wasservorräte, sondern auch unsere Nerven.
Statt zu duschen erkundeten wir daher am Tage weiter den Platz und dessen Umgebung. Es war wunderschön hier: die Natur, die Ruhe, einfach alles. Der Zeltplatz war sehr sauber und ordentlich angelegt und überall wuchsen einheimische Pflanzen, die hier der Hitze und Trockenheit widerstanden. Es war hier wie eine kleine Oase in der Wüste.
Da es so heiß war verzichteten wir auf größere Wanderungen. Wie anstrengend für uns die ungewohnte Hitze war merkten wir spätestens, nachdem wir den Weg zum Rangergebäude gelaufen waren. Es waren vermutlich nicht mal 1 km und wir nahmen natürlich für diese kurze Strecke kein Wasser mit, was im Nachhinein dumm war, denn bereits auf dieser kurzen Distanz trockneten wir total aus und schwitzen was das Zeug hielt. Zum Glück gab es im Gebäude neben guten Infos und leckeren Süßigkeiten aus Kakteen auch Trinkwasser! So dumm würden wir kein zweites Mal sein! Klar würden wir auf dieser kurzen Strecke nicht verdursten aber in der Wüste sollte man trotzdem lieber nie ohne Wasser unterwegs sein. Sicher ist sicher!
Ansonsten verbrachten wir einen entspannten Tag auf dem Gelände, erkundeten die Umgebung oder stiegen auf die sanften Hügel. Doch am allerliebsten schauten wir den Helmwachtel (Callipepla gambelii) zu. Diese putzigen Gesellen – wir nannten sie immer „Antennenhühner“ wegen ihrer charakteristischen Feder auf dem Kopf – rannten scharenweise unablässig auf der Suche nach Nahrung und Wasser über den Platz. Doch überall auf dem Platz mahnten Hinweisschilder, dass man die Tiere hier nicht mit Wasser versorgen sollte, schließlich waren die Tiere an ein Leben hier angepasst und sollten nicht ihre natürliche Lebensweise verlernen. Nichtsdestotrotz hatten die Wachteln natürlich gelernt, welcher Wasserhahn auf dem Platz etwas tropfte bzw. das es immer, wenn ein Camper Wasser geholt hatte an diesem Hahn oft noch kleine Pfützen zu finden waren.
Am nächsten Tag machten wir uns mit dem Auto auf den Ajo Mountains Drive zu befahren – einem gut 35 km langen Schotterweg. Der Panoramaweg führt einen mitten durch die Wüstenlandschaft vorbei an zahllosen Kakteen und den Ajo Mountains. Immer wieder gibt es Haltepunkte, von denen man aus die Natur bequem erkunden kann. Die Straße gilt als leicht befahrbar und auch für kleine Wohnmobile geeignet aber wir für unseren Teil fluchten gehörig über diese Schlaglochpiste – vielleicht ist es in der Hauptsaison besser? Doch einmal auf den Ajo Mountains Drive eingebogen gab es kein zurück mehr für uns, denn die gesamte Strecke ist eine Einbahnstraße. So schwankten unsere Emotionen immer hin und her zwischen Staunen und Bewunderung für diese Wüstenlandschaft, die trotz Hitze und Trockenheit so vielfältig ist, und Angst um unser Auto. Am Ende hatten wir es aber gut überstanden – auch wenn wir solch eine Straße nicht noch einmal fahren wollten! Und nicht mal einen Roadrunner hatten wir zu Gesicht bekommen, der sonst gerne hier auf den Straßen entlang rennt! Doch egal was man am Tage alles erlebt hat, am Ende wird man in der Wüste immer mit einem grandiosen Sonnenuntergang belohnt. Diese lassen sich wirklich sehen und sind vielleicht die schönsten Sonnenuntergänge überhaupt! Dank der endlosen Weite in der Wüste scheint der gesamte Horizont in Flammen zu stehen bevor sich langsam die Nacht über die Landschaft legt. Nun wird es kühler und ein klarer Sternenhimmel legt sich mit seinen Myriaden an Sternen über einen.
So endete für uns eine tolle Zeit an einem für uns doch recht ungewohnten Ort. Ebenfalls ungewohnt war, dass wir auf dem Rückweg zwei mal kontrolliert wurden – hier gibt es viele Grenzkontrollpunkte – ohne das wir das Land überhaupt verlassen hätten. Die Grenzbeamten waren aber stets freundlich und immer etwas verwundert, dass wir es „nur“ bis zum Organ Pipe Cactus National Monument geschafft hätten aber nicht über die Grenze gefahren sind. Jedes Mal fragten Sie daher nochmals nach, ob wir wirklich nicht in Mexiko gewesen wären? Doch für uns war es nicht komisch, schließlich war doch allein das National Monument das Ziel von dieser Reise in den Süden. Und es war ein lohnenswertes Ziel!
One Response
Isabella Geissmann
Super Bericht, wir sind aktuell hier und begeistert!