„Tut mir leid, aber die nächsten 10 Tage gibt es keine freien Plätze mehr auf dem Kepler Track“, antwortete die Frau vom DOC Centre in Te Anau. Da konnten wir leider nichts machen, ausgebucht ist ausgebucht. Nichtsdestotrotz schauten wir uns noch die Ausstellung an. Plötzlich vernahm ich das Wort „Stornierung“. Wie der Blitz stand ich beim telefonierenden Ranger und war aufgeregt. Die nette Dame neben ihm fragte, ob sie mir weiterhelfen könnte. Ich fragte, ob die Stornierung den Kepler Track im Fjordland von Neuseeland mit Start morgen betreffen würde. Sie bejahte! Unfassbar, was wir für ein Glück hatten. Ruckzuck waren wir eingebucht, hatten unsere Wandererlaubnis und waren um 216 NZD erleichtert, da es zwei Hüttenplätze waren. Dies war uns egal, die Wettervorhersage zeigte bestes Wanderwetter und dies wollten wir nutzen.
Wir packten am Nachmittag in Ruhe unsere Rucksäcke. Routiniert war dies innerhalb weniger Minuten erledigt und ich glaube, sie waren noch nie so leicht, da wir die 60 km in 3 Tagen absolvieren wollten und aufgrund der Hütten kein Zelt oder Isomatte, sondern nur Schlafsäcke brauchten.
Nach einer unruhigen Nacht dank lauten Parkplatznachbarn starteten wir bei Sonnenschein um 08:30 Uhr an den Control Gates den Kepler Track. Die umgebenden Gipfel waren noch etwas in Wolken gehüllt aber die Sonne zeigte sich und die Temperaturen waren angenehm.
Die ersten 5,6 km wanderten wir am Seeufer des Lake Te Anau entlang bis zur Brod Bay. Ein bestens ausgebauter Weg durch einen wunderschönen, total vermoosten Wald mit zahlreichen Farnen. Immer wieder fielen Sonnenstrahlen durch das Blattwerk oder wir sahen das Blau des Sees im Sonnenlicht glitzern.
Von Brod Bay schlängelte sich der Weg stetig nach oben. Der wunderbare Wald änderte von Zeit zu Zeit sein Erscheinungsbild: mal mehr mal weniger Flechten, Pilze in verschiedenen Farben oder saftig grünes Moos. Kurz vor der Luxmore Hütte öffnete sich der Wald zu einer Grasebene. Diese war den Button Grassebenen von Tasmanien sehr ähnlich. Leider waren mittlerweile Wolken aufgezogen, so dass wir nicht sehr weit sehen konnten. Die Temperaturen waren auf 8°C gefallen, nichtsdestotrotz war es toll durch die Grasebene zu wandern.
An der Luxmore Hut angekommen war ich perplex wie gut die Hütte ausgestattet war: Matratzen in Schlafkojen, Toiletten mit Spülung und Klopapier, die Küche mit zahlreichen Kochern, Spülbecken, Bänke und Tische. So hatte ich Neuseelands Hütten auf den Great Walks nun wirklich nicht mehr in Erinnerung, obwohl ich 2011 drei Great Walks absolviert hatte. Da hätten wir noch ein paar Gramm am Rucksackgewicht sparen können …
Von der Hütte wanderten wir noch zur kleinen Luxmore Cave. Diese Tropfsteinhöhle kann man auf eigene Faust erkunden. Circa 100 m folgten wir dem Flußlauf in die Höhle, betrachteten die Felsen im Schein unserer Stirnlampen. Es war ein netter kleiner Ausflug in eine völlig andere Welt.
Am späten Nachmittag unternahmen wir zusammen mit dem Hütten-Ranger einen 1,5 Std. langen Spaziergang. Dabei erfuhren wir sehr viel über die Geschichte der umliegenden Berge und der Pflanzen bzw. Tiere.
Zum Tagesabschluss gab es in einer überfüllten und lauten Küche, denn in der Hütte haben 60 Leute platz, Abendessen. In Gedanken flüchtete ich an einen ruhigeren Ort.
Die Nacht war, trotz der vielen Leute in einem Schlafsaal und einer entsprechenden Anzahl an Schnarchern, in Ordnung. Der Morgen zeigte sich wolkenverhangen. Von Te Anau oder dem See konnten wir nichts sehen. Wir ließen es ruhig angehen, doch als um 09:30 Uhr sich die Wolken noch immer nicht gelichtet hatten brachen wir trotzdem auf. Es wäre einfach zu langweilig gewesen weiterhin in der Küche zu sitzen und zu hoffen, dass die Wettervorhersage eintreten würde.
Draußen herrschten 4°C – dies entsprach so gar nicht der Wettervorhersage. Diese hatte Sonne und blauen Himmel angekündigt. Naja das Wetter kann man nunmal nicht bestimmen. Auf gut ausgebauten Wegen ging es in Richtung der Iris Burn Hütte. Zuerst passierten wir die Abzweigung zum Gipfel des Mount Luxmore, doch diesen ließen wir links liegen, denn wir hatten auch schon auf unserem Weg Probleme weiter als 20 m zu sehen. Irgendwie erinnerte alles an unser Wanderabenteuer in Island.
Der Weg führte an Bergflanken mal hoch mal runter. Mal über einen kleinen Grad. Am ersten Shelter – einer Notunterkunft – machten wir eine kurze Pause, doch zügig ging es weiter, da wir bei dem kalt feuchten Wetter nicht zu sehr auskühlen wollten.
Kurz bevor wir den zweiten Shelter erreichten hörten wir das Geschrei von Keas, den Bergpapageien Neuseelands. Wenig später sahen wir fünf Keas als Schemen durch die Lüfte segeln und kurz darauf einen Kea am Wegesrand auf der Suche nach Futter. Wir konnten unser Glück kaum glauben, denn er war fast überhaupt nicht scheu. Vielleicht lag es daran, dass es sich noch um einen jungen Vogel handelte, was man an den gelben Ringen um die Augen und der gelben Bande über den Schnabel erkennen konnte. Auf der Suche nach Beeren kam er immer näher. Wir standen ganz still, fast getrauten wir nicht zu atmen. Doch der Kea zeigte sich in keiner Weise ängstlich. Einzig die Spiegelmechanik meiner Kamera ließ ihn aufhorchen und kurzzeitig das Fressen einstellen. Als weitere Wanderer auftauchten flog er weg und landete etwas weiter vom Weg entfernt wieder. In dem Moment als der Kea seine Flügel ausbreitete konnten wir sein farbenprächtiges Gefieder sehen: ein leuchtendes rot strahlte uns entgegen mit ein paar blauen Stellen auf dem sonst fast vollständig grünen Federkleid. Ein einzigartiger Augenblick und kein Vergleich zu den Keas, welche auf Parkplätzen umherhüpfen und trotz Verbotschildern von Touristen gefüttert werden.
An der zweiten Notunterkunft machten wir ebenfalls eine kurze Rast bevor es ans Finale der heutigen Etappe ging: etwas mehr als einen Kilometer ging es auf einem Grad entlang. Links und rechts stürzten die Berghänge steil hinab und endlich bekamen wir das Wetter, auf das wir gehofft hatten. Die Wolken lichteten sich immer mehr, gaben den Blick auf die umliegenden grünen Berge frei. Aber auch auf felsige Gipfel mit vereinzelten Schneefeldern. In weiter Ferne konnten wir Manapouri, gelegen am gleichnamigen See, sehen. Es war toll. Immer wieder hielten wir an, ließen unseren Blick schweifen, lauschten dem plätschern von Bergflüssen oder Wasserfällen.
Das letzte Stück runter zur Iris Burn Hut war ein langer Abstieg (knapp 1000 Höhenmeter) geprägt durch Serpentinen. Sie schienen nicht enden zu wollen und fast hätten wir eine Rast eingelegt, um unseren Knien eine Pause zu gönnen, da lichtete sich plötzlich der Wald und wir standen vor der Hütte, welche auf einer kleinen Lichtung gebaut worden war. Sie war richtig schön: hatte wieder eine geräumige, gut ausgestattete Küche, drei verschieden große Schlafsäle, Toiletten und sogar eine Terrasse auf der wir uns in der Sonne ausbreiteten und den Nachmittag genossen.
Kurz vor dem Abendessen unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang zum nahen Iris Burn Wasserfall, der uns besonders gut gefallen hat. Leider sahen wir dort keine Blue Ducks.
Nach dem Abendessen gab es wie üblich einen kleinen Vortrag vom Ranger. Robbie stand dabei einem Comedian in nichts nach und gab eine Anekdote nach der anderen zum besten.
Am nächsten Tag stand uns eine lange Etappe bevor: 32 km mussten wir zurücklegen, um unser Auto wieder zu erreichen. Deshalb gingen wir zügig nach dem Vortrag des Rangers ins Bett. Unsere Rucksäcke verstauten wir dabei in der Küche, damit wir am nächsten Morgen keine anderen Wanderer in unserem Schlafsaal durch unser Packen wecken würden.
Kurz bevor der Wecker um 06 Uhr klingelte waren wir wach. Wir frühstückten ausgiebig (fast alles was unsere Rucksäcke noch hergaben) und warteten darauf, dass es so hell war, dass wir loswandern konnten. Um kurz nach 7 Uhr schnürten wir dann unsere Wanderschuhe fürs große Finale. 32 km … so lange waren wir noch nie an einem Stück mit großem Rucksack gewandert. Ob das gut gehen würde!? Zumindest war die letzte Etappe nahezu flach und sollten uns die Kräfte verlassen könnten wir auch um 10 km verkürzen und mit dem Bus nach Te Anau fahren.
Wir genossen es in aller Frühe durch den Wald zu wandern. Viele Vögel wuselten umher, schienen keine Scheu zu haben, fast setzten sie sich auf unsere Trekkingstöcke oder flogen ein Stück des Weges neben uns her. Bis auf die Geräusche der Natur war es ruhig. Keine Menschenseele außer uns war unterwegs.
Wir konnten von Zeit zu Zeit verfolgen wie sich der Wald veränderte: näherten wir uns einem Fluss wurde es kühler und der Anteil an Farnen nahm zu. War es eine Region mit viel Regen, dann prägten Moose das Waldbodenbild und war die Luftfeuchte hoch, dann hingen in den Bäumen unzählige Flechten.
Bereits vor dem Mittag erreichten wir die letzte Hütte des Kepler Tracks, Moturau Hut, und hatten somit die ersten 16 km zurückgelegt. Wir waren unglaublich leichtfüßig und schnell unterwegs. Trotzdem gönnten wir uns hier eine längere Pause, nervige Sandflies hin oder her.
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Hiking the Kepler Track in New Zealand from Thomas Guthmann on Vimeo.
Auf dem nachfolgenden Abschnitt zum Rainbow Reach Car Park, dem Ausgangspunkt vieler Tageswanderer, kamen uns viele von diesen entgegen. Meist wehte uns der Duft der Zivilisation bereits Minuten bevor wir sie sahen um die Nase. Dafür möchte ich nicht wissen wie wir gerochen haben, denn wir hatten schon etwas länger als drei Tage keine Dusche mehr gesehen …
An der Brücke zum Rainbow Reack Parkplatz zauberte ich als Wanderpremiere 1/4 Tafel Schokolade aus dem Rucksack. Etwas Zucker und Nüsse würden uns für die letzten 10 km bestimmt gut tun. Aber irgendwie hielt sich die Würdigung der Schokolade in Grenzen. So richtig Appetit hatten wir auf sie nicht. Uns wäre was salziges lieber gewesen.
Die letzten 2 Stunden wanderten wir am Flußufer entlang. Hörten beständig die Geräusche von Motorbooten in den Angler unterwegs waren. Die Zivilisation hatte uns wieder. Wie um dies zu bekräftigen hörten wir die startenden/landenden Flugzeuge bzw. Hubschrauber von Te Anau (von dort werden viele Flüge ins Fjordland angeboten) und hinter der nächsten Biegung sahen wir dann die Schleuse, welche bereits unseren Startpunkt markierte und nun unser Ende darstellte.
Der Kepler Track war eine tolle Wanderung. Aber da die Wege so gut ausgebaut sind und die Hütten sehr gut ausgestattet sind ist es entsprechend voll. Das Klientel sind weniger Wanderer, welche die Natur entdecken wollen, als viel mehr Städter, die für ein paar Tage die Wanderschuhe schnüren und testen, ob dies etwas für sie ist. Obwohl fast ausschließlich Erwachsene unterwegs sind brauchen etliche ein Kindermädchen, die ihren Dreck wegmachen, sei es im Bad oder der Küche und dies trotz Schildern „Clean after yourself.“ Ferner kann ich dem Zitat des Hütten-Rangers der Iris Burn Hut nur zustimmen:
Wer nicht in der Lage ist seinen eigenen Müll mitzunehmen, hat beim Wandern nichts verloren!
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