Ruhig schaukelt unser Fernbus über die nächtliche Autobahn Chiles. Im Bus ist es still, hier und da hört man ein leises Schnarchen. Draußen gleitet die nächtliche Landschaft an uns vorbei. Auch ich versuche ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, doch der Druck in meinen Ohren weckt mich regelmäßig auf. Immer wieder muss ich einen Druckausgleich vornehmen, doch lange hält dieser nicht vor. Kein Wunder, starteten wir doch unsere Fahrt auf Meeresniveau in Santiago de Chile. Nun sind wir bereits über tausend Meter hoch und unser Ziel, das kleine Örtchen San Pedro de Atacama, liegt noch gut weitere 1.500 Meter höher …
Langsam stieg die Sonne über den Horizont und enthüllte mit ihren ersten Sonnenstrahlen eine immer karger werdende Landschaft. Bäume wichen Sträuchern und Gelbtöne dominierten das Erscheinungsbild. Immer weiter ging es durch diese scheinbare Einöde. Dass es hier, an diesem nach Wasser dürstenden Ort überhaupt Leben, geschweige denn ganze Siedlungen geben soll, konnte man fast nicht glauben. Doch die Straße schlängelte sich unermüdlich immer weiter hinein in die Atacamawüste und allmählich zeichnete sich San Pedro de Atacama am Horizont ab. Es wirkte wie eine kleine Oase in dieser unwirtlichen Gegend. Und genau das ist San Pedro de Atacama, ein Oasendorf in Mitten der Atacamawüste, einer der trockensten und einsamsten Landschaften der Welt. Hier gibt es Regionen, in denen jahrzehntelang kein Regen fällt. Nicht einmal ein einziger Tropfen erreicht dann den Boden. Diese Orte kommen auf eine durchschnittliche jährliche Niederschlagshöhe von gerade mal 0,5 mm. Alle 6-8 Jahre kommt es durch El Niño zu Starkregenfällen, die auf diesen ausgedörrten Böden sofort zu schweren Überschwemmungen führen.
San Pedro de Atacama liegt auf 2.450 m Höhe und ist das Verwaltungszentrum der gleichnamigen Kommune, welche noch weitere Dörfer umfasst nämlich: Toconao, Socaire, Río Grande, Peine, Camar, Talabre, Matancilla, Machuca sowie einige weitere kleine Siedlungen. Das Dorf San Pedro de Atacama umfasst nur 690 Häuser in denen knapp 2.000 Einwohner leben und ist damit trotz allem die bevölkerungsreichste Siedlung der gesamten Kommune. Dies verdeutlich recht gut, wie schwer das Leben hier in der Wüste sein kann. Doch vor allem im Sommer geht es in dem beschaulichen Dörfchen quirlig zu, wenn alljährlich 50.000 Touristen nach San Pedro de Atacama strömen. Alle wollen die umliegenden Sehenswürdigkeiten bestaunen, wie z.B. die Kirche von San Pedro, die eine der ältesten in ganz Chile ist, die Salar de Atacama mit ihren Lagunen und Flamingos, das Geysirfeld El Tatio, mit den höchstgelegenen Geysiren Chiles auf 4.280 m ü.NN., dem Valle de la Luna, einem Tal, wie von einem anderen Stern oder den heißen Quellen von Puritama, in denen man bei angenehmen 30 °C baden kann, um nur einige zu nennen. Zusätzlich kann man hier Vulkane besteigen, Sandboarden, Touren zum Paranal-Observatorium unternehmen und das Very Large Telescope (VLT) der ESO bestaunen (die Touren sind kostenlos und müssen daher sehr frühzeitig geplant werden) und vor allem: von San Pedro de Atacama starten die Touren in das Altiplano und zur Salar de Uyuni, eine der beliebtesten 3-4 Tage dauernden Touren der Umgebung und fast ein „Must-Do“ für jeden Südamerikareisenden! Auch wir wollten uns diese einmalige Tour nicht entgehen lassen, von der wir schon so viele wundervolle Bilder und Berichte gesehen hatten und machten uns daher auf, die kleine Wüstenoase San Pedro de Atacama zu besuchen.
Müde und von der langen Busfahrt deutlich gezeichnet stiegen wir aus dem Bus. Es war noch früh am Morgen, doch schon jetzt war es sehr warm. Ein blauer, wolkenloser Himmel begrüßte uns. Nur wenig Leute waren hier am Busbahnhof unterwegs – abgesehen natürlich von unserer Busladung voller Neuankömmlinge. Doch diese verliefen sich schnell in alle Himmelsrichtungen und schon bald waren wir fast allein an diesem so verschlafen wirkenden Ort. Wir schulterten unsere schweren Rucksäcke und gingen ein paar Schritte. Sofort machte sich die Höhe bemerkbar. Fühlten wir uns sonst schon immer wie viel zu überladene Packesel, drückte uns hier das Gewicht umso mehr auf die vom Busfahren steifen Beine. Etwas schnaufender und langsamer als sonst machten wir uns auf den Weg quer durch das Dorfzentrum zu unserer Unterkunft, die wir bereits im Voraus gebucht hatten. San Pedro ist zu dieser Jahreszeit ein gut besuchter Ort und es empfiehlt sich daher, schon vorher seine Unterbringung geklärt zu haben. Vor allem, nach solch einer langen, nächtlichen Busfahrt war es äußerst angenehm zu wissen, dass ein Bett und ein Platz für unsere Siebensachen auf uns wartete!
Die Ckoi Atacama Lodge lag etwas außerhalb und war daher beim ersten Besuch ein bisschen komplizierter zu finden. Doch dank den heutigen Smartphones mit ihren Karten war dieses „Problem“ schnell gelöst. Als wir das Gelände der Lodge betraten erwartete uns eine wahre, kleine Oase: weit genug entfernt vom lauten Trubel der Stadt, lag sie jedoch nah genug, um selbige leicht zu Fuß erreichen zu können. Die Zimmer waren äußerst gemütlich, ja nach unseren letzten Quartieren regelrecht luxuriös. Wir hatten unser eigenes Bad, auch wenn das hier, mitten in der Wüste recht befremdlich wirkte. Die Besitzer waren äußerst freundlich und hilfsbereit und bereiteten ihren Gästen morgens ein delikates und üppiges Frühstück zu. Überall gab es gemütliche Plätzchen zum Entspannen und über das Grundstück liefen drei Lamas, ein Hund und die ein oder andere Katze. Eine perfekte Ausgangsbasis also, um uns von hier die nächsten neun Tage an die Höhe zu gewöhnen und unsere weitere Reise zu planen!
Wie bereits erwähnt galt unser Hauptaugenmerk dabei der Gewöhnung an die Höhe. Das Altiplano, welches wir in neun Tagen besichtigen wollten, lag auf einer Höhe von durchschnittlich 3.600 m und die Tour sollte drei Tage dauern (mit Ausflügen auf fast 5.000 m Höhe). Ohne eine ausreichende Akklimatisation könnte dies katastrophal enden: Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafprobleme wären dabei noch das kleinste Problem. Bei unserer Akklimatisation halfen uns die Jungs – Max und Leandro – von „The Wild Side Chile“. Sie betreiben ein kleines zwei Mann Expeditionsunternehmen und haben ihr Hauptquartier ebenfalls hier in der Lodge. Sie bieten mit ihrem auffallend orangenem Jeep individuell gestaltbare Touren für kleine Gruppen zu den Sehenswürdigkeiten der Umgebung an. Unsere Erfahrung mit „The Wild Side Chile“ könnt ihr in diesem Bericht nachlesen. So erkundeten wir mit Max und Leandro die Umgebung um das Gebiet des El Tatio, begaben uns auf die Suche nach der Yareta, eine extrem langsam wachsende Wüstenpflanze, die gerade einmal 1,4 mm radial pro Jahr wächst und bis zu 3.000 Jahre werden kann, sahen Flamingos, den Sternenhimmel im Valle de la Luna und bestiegen den Vulkan El Toco, mit 5.600 m ü.NN. den höchsten Berg unserer bisherigen „Wanderkarriere“.
Wenn wir nicht gerade mit dem orangenen Jeep durch die Wüste fuhren unternahmen wir immer wieder Ausflüge zu Fuß durch das Dorf oder fuhren mit dem Rad zusammen mit der Chefin der Lodge in die Umgebung von San Pedro – damit unsere höchste Fahrradtour bisher.
Wie bereits erwähnt ist San Pedro de Atacama vor allem im Sommer ein sehr lebhaftes Örtchen, was wohl an seiner Lage liegt, ist es doch Ausgangspunkt für die berühmten Touren durch das Altiplano hin zur Salar de Uyuni in Bolivien. Die Innenstadt besteht daher hauptsächlich aus Reiseveranstaltern, Souvenirshops und kleinen Restaurants. Die meiste Zeit in der Stadt verbrachten wir damit, einen passenden Veranstalter für unsere Tour durch das Altiplano zu finden. Es gibt unzählige Anbieter und damit unzählige Preise. Überall las man von betrunkenen Fahrern, schlechten Unterkünften (was für uns weniger schlimm wäre) oder durchfallerzeugendem Essen (ein großes Problem in einer Wüste ohne Klos oder Bäumen). So klapperten wir in der sengenden Hitze des Tages Büro für Büro ab, recherchierten im Internet und befragten Neuankömmlingen nach ihren Erfahrungen. Schlussendlich entschieden wir uns für den Anbieter „Estrella del Sur“. Ob dies eine gute Wahl war, könnt ihr in diesem Artikel erfahren.
Abends, wenn die Temperaturen erträglicher wurden, erwachte San Pedro zu lautem Leben. War es am Tag erträglich voll, so wurde es nun richtig quirlig. Überall waren Leute, Straßenkünstler zeigten ihr Können und Schmuckverkäufer boten ihre selbst gemachte Ware an. Dieser Trubel stand für uns im vollen Gegensatz zu diesem kleinen Wüstenort mitten im Nichts. Für uns war dies nicht wirklich etwas. Daher aßen wir meist am späten Nachmittag eine Kleinigkeit im vegetarischen Restaurant Estrella Negra oder kochten uns etwas in der Küche der Lodge und verbrachten die Nächte entweder auf dem Gelände der Lodge oder auf einer Tour mit „The Wild Side Chile“ und entgingen so dem feierwütigen Volk. Jeder so wie er möchte, sag ich immer, nicht wahr?
Da es noch viel zu erledigen gab: wir trafen für uns die Entscheidung Südamerika vorzeitig zu verlassen und planten somit unsere letzten zwei großen Zwischenziele, nämlich Machu Picchu LINK und Galapagos und wir zusätzlich noch alle paar Tage eine Tour in große Höhen, um uns zu akklimatisieren, unternahmen vergingen die neun Tage in San Pedro de Atacama wie im Fluge. Dem einen oder anderen erscheint dies vielleicht als eine recht lange Zeit an so einem kleinen Ort, doch hat sich diese für uns sehr gelohnt. Nicht nur hatten wir eine tolle Zeit auf den Ausflügen wie z.B. zum El Tatio Geysirfeld, ins Valle de la Luna oder auf den 5.600 m hohen Vulkan Toco, sondern wir passten uns ganz nebenbei auch perfekt an die großen Höhen an. Es gibt genügend Leute, die in San Pedro ankommen und direkt am selben oder nächsten Tag ins Altiplano und zur Salar de Uyuni aufbrechen. Doch nur mit viel Glück geht das gut. Viele in unserer Reisegruppe, die sich nicht angepasst hatten, litten an Kopfschmerzen, Unwohlsein, mussten sich übergeben und starker Müdigkeit, sodass sie die meiste Zeit der Tour im Jeep verschliefen. Dies blieb uns erspart und wir konnten die 3-tägige Tour in vollen Zügen genießen. Doch was wir dort genau erlebt und gesehen haben, dass ist eine andere Geschichte und erzählen wir euch ein anderes Mal.
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