Jedes Ende ist die Chance für einen Neuanfang.
Aufgrund des Abbruchs des John Muir Trails hatten wir mehr Zeit als erwartet. Wir mieteten uns ein Auto in Fresno und erkundeten den Kings Canyon, kehrten zurück ins Yosemite Valley und fuhren letztendlich auf dem legendären Küsten-Highway Nummer 1 nach San Francisco. Wir erlebten zwar nicht mehr die atemberaubende Bergwelt der zweiten Hälfte des John Muir Trails verbrachten aber eine abwechslungsreiche Zeit bei unserer Reise durch Kalifornien.
In Fresno am Flughafen mieteten wir das kleinste Auto, das es gab. Meine Freundin wollte schon immer Mal einen Fiat 500 fahren also entschieden wir uns für diesen. Natürlich ist in den USA nichts wirklich klein, sodass wir letztendlich einen Fiat 500 L bekamen.
Mit unserem Mietwagen war die erste Station, welche wir ansteuerten ein großer Supermarkt. Bereits die Parkplätze, auf denen wir mit unserem Auto hätten quer einparken können, vermittelten einen Eindruck was uns erwartet. Der Supermarkt war gigantisch. Am Eingang entdeckten wir auch sofort die elektronischen Einkaufswagen, auf denen man sitzen konnte um so durch den Supermarkt zu fahren. Wir deckten uns mit Obst, Gemüse, Nudeln, vor allem aber mit Unmengen an Wasser ein, da ich aufgrund der Hitze Fresnos mit 44 °C nach Wasser gierte.
Mit allem Nötigen ausgestattet, um selbst inmitten der Zivilisation ein paar Tage autark unterwegs sein zu können, fuhren wir Richtung Kings Canyon. Zuerst war die Landschaft noch flach, gezeichnet durch braunes verdorrtes Gras. Je näher wir allerdings dem Kings Canyon kamen, desto hügeliger wurde es und desto öfter kamen wir an den verschiedensten Obstplantagen vorbei.
Im Kings Canyon besuchten wir nach einem kurzen Stopp im Visitor Centre den sogenannten „Giant Tree“, den höchsten Sequoia Baum. Danach fuhren wir bis zum Ende des Kings Canyon National Parks, welcher in einer gigantischen Schlucht mündet.
Am Abend schlugen wir unser Zelt auf dem Campingplatz Azalea zwischen riesigen Wohnmobilen auf. Nicht nur unser Auto wirkte winzig, sondern auch unser Zelt war sicherlich kleiner als so manches Bett in den riesigen mobilen Wohnmonstern. Als wir in der Dämmerung unser Abendessen zubereiteten meinte ein Waschbär lautstark in unseren Bärenboxen wühlen zu müssen. Obwohl wir nur 2 Meter entfernt saßen hatte dieser überhaupt keine Scheu.
Am nächsten Tag brachen wir zu „General Sherman“ auf, dem Sequoia Baum mit dem größten Volumen (74 m hoch und 2200 Jahre alt). Den Nachmittag verbrachten wir mit einer Wanderung durch den Redwood Mountain Groove. Redwoods sucht man hier allerdings vergeblich, man ist stattdessen umringt von Sequoias. Der sogenannte „fallen giant“ war unser Ziel, aber dort angekommen standen wir nur vor einem riesigen Haufen Asche. Das war er also mal, der gefallene Gigant, vom Feuer aufgefressen. Also zurück zum Auto unter riesigen Bäumen hindurch mit kreischenden Vögeln in den Wipfeln und Schlangen am Boden.
Wir verbrachten erneut eine Nacht auf dem Campingplatz Azalea und fuhren am nächsten Tag ins Yosemite Valley. Es war eine lange Fahrt, denn wir mussten zurück nach Fresno und von dort dann Richtung Yosemite Valley.
Dort angekommen hatten wir unglaubliches Glück, denn aufgrund des bevorstehenden 4. Juli war alles ausgebucht. Aber eine Frau hatte den Ranchern gemeldet, dass sie aufgrund einer Autopanne einen Tag später anreisen würde. Unser Glück, denn so konnten wir unser Zelt auf dem Wawona Campingplatz aufschlagen. Direkt neben diesem Campingplatz verlief ein Fluß, welcher etwas angestaut war, so dass seine Fliesgeschwindigkeit recht langsam war. Das Wasser war herrlich warm und es war eine Wohltat und ein tolles Erlebnis darin zu baden.
Am frühen Abend fuhren wir zum Glacier Point um mit Blick auf den Half Dome den Sonnenuntergang zu genießen. Diese Idee hatten neben uns noch unzählige andere Touristen, so dass es recht voll war. Aber mit etwas Wandern und Kletterei fanden wir ein ruhiges Plätzchen an dem wir unseren Campingkocher und Kamera aufbauten und einen wunderschönen Abend im Schein der untergehenden Sonne verbrachten. Wir konnten vom Glacier Point auch ganz genau sehen, welchen Weg wir uns am ersten Tag des John Muir Trails hochgeschlängelt hatten, vorbei an den Wasserfällen Vernal und Nevada. Wir waren schon etwas stolz auf diese Leistung mit schwerem Gepäck.
Die Nacht war dank Bärenbesuch bei unseren Zeltnachbarn (sie hatten ihr Essen und andere Sachen nicht in der großen Bärenbox verstaut) sehr unruhig. Menschen kreischten, Hunde bellten und der Bär fetzte ein paar Gegenstände durch die Gegend. Allerdings waren wir bereits an die nächtlichen Besucher gewöhnt, sodass meine Freundin von alledem nichts mitbekam und weiterhin schlief wie ein Stein.
Mit großen Augenringen machten wir uns am darauffolgenden Morgen auf Richtung Tuolumne. In Tuolumne gab es erstmal Burger und wir stellten unser Auto an der großen Straße beim Startpunkt zur Wanderung zum Cathedral Lake ab. Wir schulterten unsere großen Rucksäcke und für die 3,5 Meilen bis zum Cathedral Lake benötigten wir 1,5 Std. Auf dem Weg dorthin kam es mir vor als würden wir durch komplett neues Gelände wandern. Obwohl wir hier bereits an Tag 3 des John Muir Trails vorbeigekommen waren konnte ich mich an die Landschaft und diese Wegstrecke überhaupt nicht erinnern. Verrückt.
Als wir am See ankamen verschlug es uns die Sprache. Es war wunder wunder schön. Ich tauchte in die erfrischenden Fluten des Sees ein und trocknete am Uferrand. Dank immer stärker werdenden Windböen verschwanden die Moskitos fast gänzlich, so dass wir ungestört in der Sonne sitzen konnten. Ab dem späten Nachmittag hatten wir den See ganz für uns alleine und in der Nacht erlebten wir einen traumhaft schönen Sternenhimmel. Es hatte sich mehr als gelohnt diese Tageswanderung mit Übernachtung einzuschieben, denn der Cathedral Lake zählt zu den schönsten Orten parallel zum John Muir Trail.
Am nächsten Tag wanderten wir zurück nach Tuolumne als es am Cathedral Lake immer voller wurde durch ankommende Tageswanderer. Der Weg zog sich und ich merkte beim Bergabwandern, dass meine Füße wieder schmerzten. Den Nachmittag verbrachten wir am Ufer des Tuolumne Flusses, wuschen uns und die Wäsche. Am Abend erzählten wir lange mit anderen Wanderern am Zeltplatz in Tuolumne.
Nachdem wir ausgeschlafen hatten und alle Sachen im Auto verstaut waren ging es erneut zurück nach Fresno, wo wir kurz Lebensmittel einkauften. Von dort fuhren wir dann die lange Strecke bis an die Küste nach Morro Bay. Die Landschaft um uns herum war wieder flach und gezeichnet durch verdorrtes Gras. Rinder standen in riesigen Herden auf blankem Erdboden, vereinzelt mit Überdachungen dort wo ihre Futtertröge mit Futter waren. Ob sie jemals saftiges grünes Gras kennen gelernt hatten?
Je näher wir der Küste kamen, desto angenehmer wurden die Temperaturen. Das Thermometer fiel unter 30 °C und ich freute mich schon auf ein erfrischendes Bad in den Fluten des Pazifik. Doch daraus wurde nichts, denn bevor wir das Meer sahen galt es eine letzte Hügelkette zu überwinden. Als wir den höchsten Punkt erreichten sahen wir alles andere nur nicht das Meer. Besser gesagt wir sahen nichts außer Nebel.
Als wir in Morro Bay ankamen waren wir umhüllt vom Nebel und das Thermometer war auf 15 °C gesunken. Absolut kein Badewetter, sondern eine ganz besondere, ruhige bedrückende Stimmung. Wo hatte sich Stephan King eigentlich für „Der Nebel“ inspirieren lassen? Auf dem Camping Platz von Morro Bay erhielten wir einen Zeltplatz für saftige 35 $. Dafür mit etwas Rasen. Nach Wochen im Staub und Dreck sind es eben die nicht alltäglichen unscheinbaren Dinge, die einem eine Freude bereiten. Am Abend machten wir einen Strandspaziergang und verkrochen uns schnell in unsere wärmenden Schlafsäcke.
Der nächte Morgen empfing uns wie der gestrige endete: mit Nebel. Nach dem Frühstück fuhren wir auf dem Highway Number 1 Richtung Norden. In Cayucos machten wir im Sea Shanty einen Boxenstopp und gönnten uns dort ein zweites Frühstück mit Cappuccino und Pancakes. Bei einem Stadtbummel erkundeten wir das kleine Städtchen: viele schöne Häuschen, wenig Betrieb. In der Tourist-Info deckten wir uns mit Informationen ein was uns alles auf dem Weg nach Norden Richtung San Francisco erwarten würde.
Nachmittags ging es weiter entlang einer abwechslungsreichen Küste. Leider versperrte dichter Nebel die meiste Zeit die Sicht. War dieser allerdings mal weg boten sich uns grandiose Ausblicke.
Wir fuhren bis zum nördlich von San Simeon gelegenen Hearst Castle. Ein unglaublich pompöses Anwesen eines ehemaligen Zeitungsmoguls. Wir warfen allerdings nur einen Blick in die ansässige Touristeninformation, denn das Hearst Castle konnte man nicht auf eigene Faust besichtigen, sondern musste sich einer Tour anschließen. Die 25 $ hätten wir verkraftet aber nicht die hunderte anderen Besucher. Das war uns nach der ruhigen Zeit auf dem John Muir Trail zu viel hektisches Gewusel.
Die Fahrt ging weiter nach Norden, wo wir auf eine Seelöwen-Kolonie am Strand trafen. Ein Fest für die Sinne, ein Schock für die Nase. Diese schwerfälligen Kolosse zu beobachten war interessant und die Zeit verflog. Bei der Suche nach einem Nachtlager waren leider alle Zeltplätze in Strandnähe bereits total überfüllt, so dass wir 11 Meilen ins Landesinnere zum Bottchers Gap Campground (ohne Wasserversorgung) fahren mussten um unser Zelt aufschlagen zu können. Ägerlicherweise wieder unter den gierigen Rüsseln von Moskitos.
Um am nächsten Morgen den Moskitos zu entgehen verlegten wir das Frühstück an die Küste in eine wunderschöne Bucht. Dort erlebten wir eine unliebsame Überraschung. Ein toter Seelöwe verweste am Ende des Strandes. Zum Glück stand der Wind günstig, so dass uns der Gestank während dem Frühstück nicht belästigte. Denn trotz dieses traurigen Ereignisse war es ein wunderschöner Ort.
Frisch gestärkt fuhren wir weiter, immer in Richtung San Francisco. Bei Carmel by the sea verließen wir spontan den Highway und landeten in einem malerischen Städtchen, gespikt mit Cafés, Kunstläden, etc. Ein liebliches kleines Nest. Bei einem Spaziergang am Strand konnten wir Delphine beobachten. Als der Nebel über die Stadt zog brachen wir wieder auf.
Unser nächster Stop war Monterey, wo wir uns allerdings nicht lange aufhielten, da es uns viel zu voll war. In der Touristen-Info erfuhren wir, dass es zwischen Monterey und Santa Cruz 5 Campingplätze geben sollte und alle waren bereits überfüllt.
Wir ließen uns nicht entmutigen und steuerten trotzdem den zweiten Campingplatz an. Auf dem Weg dorthin fuhren wir kilometerlang zwischen Erdbeerfeldern hindurch. Der Campingplatz war kalt und windig, hatte aber noch ein Plätzchen für uns frei. Das Highlight seit unserem Bad im Fluß im Yosemite Valley waren die heißen Duschen. Für das Abendessen organisierten wir uns noch etwas Feuerholz, so dass wir es mollig warm hatten.
Um 06 Uhr morgens weckten uns die Traktoren, welche auf den umliegenden Erdbeerfeldern mit ihrer Arbeit begannen. Unser Weg führte uns nach Santa Cruz. Nichts für mich: zu laut und zu voll dank Vergnügungspark unmittelbar am Strand. Nach einem Bummel ging es schnell weiter Richtung Half Moon Bay, wo wir die letzte Nacht bevor wir San Francisco erreichen würden, übernachten wollten. Aus organisatorischen Gründen mussten wir noch bis 18 Uhr warten bis wir die Campsite beziehen konnten. Die Zeit bis zum Abend verbrachten wir mit einem Strandspaziergang, Stadtbummel und zwei großen Cappuccini mit Snickers Doodle Cookies.
Als Abendessen gönnten wir uns Avocado Frühlingsrollen und frische Ravioli mit Basilikumpesto aus der Bio-Supermarktkette Green Lear`s. Nachdem unser Feuer runter gebrannt war gingen wir ins Bett und lauschten dem Rauschen der Wellen. Dies war sie nun also, unsere letzte Nacht im Zelt.
Vom Wind geweckt, welcher an unserem Zelt rüttelte packten wir zusammen und fuhren zum Flughafen von San Francisco, wo wir das Auto abgaben. Alles ging schnell und unkompliziert und mit der BART waren wir ruck zuck in der Innenstadt von San Francisco wo wir unser Hotel im Financial District aufsuchten. Nach 3 Wochen im Zelt kam uns das Hotelzimmer wie ein Luxusappartment vor. Wir wuschen ein paar Klamotten, spannten Wäscheleinen im gesamten Hotelzimmer und bummelten anschließend durch die Straßen von San Francisco bevor wir erschöpft in ein super tolles großes Bett fielen.
Obwohl der Urlaub damit völlig anders verlief, als wir es anfangs geplant hatten, hatten wir doch eine wundervolle Zeit, in der wir vieles neue erlebten und neue Freunde fanden. Und so flogen wir mit einem guten Gefühl für die bevorstehende Weltreise nach Hause, denn: Jedes Ende ist die Chance für einen Neuanfang.
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