Zum ersten Mal in freier Natur sah ich Rentiere in Grönland. Immer vereinzelt, aber sehr neugierige Tiere.
Tromsø liegt knapp 150 km von der finnischen Grenze entfernt. Somit war für uns klar, dass wir während unseres Norwegenurlaubs auch einen Abstecher nach Finnland machen wollten.
Es war ein nahezu wolkenloser Tag als wir in Finnland unweit des Nationalparks Käsivarren erämaa unterwegs waren. Trotz Polarnacht konnte man um die Mittagszeit in weiter Ferne am Horizont so etwas wie Sonnenlicht ausmachen. Ein zartgoldener Streifen über noch blaßblauer Umgebung. Eben die besondere Lichtstimmung der Polarnacht. Mein Blick schweifte über die ruhige schneebedeckte, durch sanfte Hügel geprägte Landschaft – eingeschneite Büsche und kahle Äste einiger Bäume ragten bizarr aus dem tiefen Schnee. Plötzlich registrierten meine Augen eine Bewegung, weit entfernt auf einem Hügel. Rentiere! Und nicht gerade wenige, so 10 – 20 Tiere.
Für mich gab es kein Halten mehr, rechts ran, Kamera raus, Schneeschuhe an und los ging es auf Rentier-Pirsch. Mit jedem Meter, den ich mich den Rentieren näherte, sorgte ich für mehr Unruhe innerhalb der Herde. War es der knirschende Lärm, den die Schneeschuhe lostraten oder meine warnend rote Daunenjacke? Alle Tiere drehten die Köpfe und schauten in meine Richtung. Ich konnte sehen wie sie ihre Nasen in den Wind reckten und schnüffelnd ihre Nüstern bewegten. Zwei Rentiere rannten aufeinander zu und stießen mit ihren Geweihen krachend zusammen. Sollte dies für mich ein Wink sein ihnen fern zu bleiben, sonst würde mir das gleiche blühen? Ich machte eine Pause, kniete mich in den Schnee und beobachtete.
Nun konnte ich spüren, wie mit jeder Minute mehr Ruhe in die Gruppe der Rentiere einkehrte. Langsamer setze ich meine Annäherungsversuche fort, aber bereits nach wenigen Schritten begannen die Tiere vor mir wegzulaufen. Also wieder eine Pause bis sich die Herde beruhigte. So ging es eine ganze Zeit lang hin und her. Ich wollte den Tieren keinen Stress bereiten, machte einpaar Fotos und trat den Rückzug an.
Als ich mich umdrehte, um wieder zurück zum Auto zu wandern, entdeckte ich abseits der großen Herde eine kleine Gruppe von 4 Rentieren. Ich beobachtete sie und konnte auch von ihnen eine paar Aufnahmen machen. Ein letzter Rundumblick, quasi so zum Abschied, raubte mir fast den Atem: die große Rentierherde, die ich zuvor im Visier hatte, war mir unbemerkt sehr nah gekommen. Ich spürte ihre Neugier, wieder bewegten sich ihre Nüstern, ihre Ohren. Also blieb ich ruhig im Schnee sitzen und wartete. Herrlich, sie kamen immer näher und jetzt endlich konnte ich die Aufnahmen machen, die ich mir erhofft hatte. Trittsicher tänzelten sie über den Schnee, versanken kaum darin. Marschierten vor mir auf und ab und ich fast mittendrin.
Es zeigt sich wieder einmal, dass es Dinge gibt, die kann man nicht erzwingen. Man muss Zeit haben sie zulassen zu können. Ein berauschendes Erlebnis diese schönen Tiere in freier Natur erlebt zu haben.
5 Responses
Manu
Ein wirklich wundervoller Beitrag! Bei Deinen Erzählungen schaffst Du es immer, dass man das Gefühl hat, man wäre gerade neben Dir auf der Pirsch und nicht gemütlich auf dem Sofa :-) weiter so!
Notker
dieses Licht, diese Farben, dieser Fotograf – einfach toll !
Bjørn
Der kurze Ausflug nach Finnland hat sich auf jeden Fall gelohnt!
Ein klasse Bericht und wie immer – sehr schöne Fotos!
Saskia
Hallo Thomas, seid Ihr privat dorthin gefahren oder in Verbindung mit einem gebuchten Ausflug? Wir sind im November ebenfalls im Tromso und ich würde auch gerne nach Finnland rüber. Wir überlegen auch noch, ob wir uns ein Auto mieten sollen. Das halte ich allerdings für etwas unsicher bei dem Wetter dort.
Liebe Grüße
Saskia
Thomas
Hallo Saskia,
wir sind auf eigene Faust nach Finnland gefahren, da wir für die komplette Zeit in Tromsø einen Mietwagen (SUV mit Spikes) hatten.
Viele Grüße
Thomas