Für unseren Aufenthalt in Tromsø hatten wir uns etwas Besonderes ausgesucht: wir wollten Hundeschlitten fahren. Zuerst liebäugelten wir mit einer Mehrtagestour, um wirklich lange und auch über Nacht draußen in der Wildnis zu sein, aber da wir nicht wussten, ob wir Hundeschlittenfahren wirklich mögen würden beließen wir es bei einer Tagestour.
In Tromsø wurden wir von einem Mitarbeiter des Villmarksenters abgeholt und zum Senter – 30 Minuten außerhalb von Tromsø – gebracht. Dort angekommen roch und hörte man die Schlittenhunde sofort. Bei 300 Hunden aber auch nicht verwunderlich. Wir wurden von Maja begrüßt, die für den heutigen Tag unsere fachkundige Begleitung sein sollte.
Zuerst wurden wir mit der richtigen Kleidung versorgt: wir bekamen unglaublich dicke Daunenkleidung und riesige Schuhe (bestehend aus Innenschuh und separatem Außenschuh!). Mit dieser Expeditionskleidung hätten wir sicherlich auch zum Nordpol wandern können …
So ausgestattet ging es zu den Hunden, die in, auf und um kleine Boxen herum hausen. Schwanzwedelnd und voller Neugierde wurden wir gemustert. Stahlblaue Augen verfolgten jede unserer Bewegungen. „Hier auf dem Gelände gibt es auch eine rote Katze, die immer unsere Schlittenhunde ärgert,“ so Maja.
Das typische Bild, das ich mit einem Schlittenhund verbinde sind stahlblaue Augen und ein buschiges Fell. Die Schlittenhunde auf dem Gelände des Villmarksenters waren allerdings alle ausnahmslos „Alaskan Huskies“ und deren Fell ist deutlich kürzer. Ich konnte es gar nicht glauben, dass diese Tiere locker zweistellige Minusgrade aushalten. Aber als ich einen Husky streichelte wurde ich eines besseren belehrt: das Fell – auch wenn es noch so kurz ist – fühlte sich unglaublich dick an. Jetzt konnte ich mir vorstellen, dass den Tieren – auch ohne Daunenkleidung – warm war.
Unsere Gruppe bestand aus sechs Leuten: eine Inderin (die noch nie Schnee gesehen hatte), eine Russin, ein Belgier, ein Schweizer und eben wir Zwei. Diese bunt gemischte Truppe führte Maja zu den Schlitten, die etwas abseits standen. Denn die Touristen, welche die 1-Stunden-Tour machten wurden schon auf dem Gelände herumgefahren. Die Hunde, die noch an ihren Boxen waren wurden dadurch unruhig und bellten, wie als wollten sie sagen „Nimm mich mit, ich will auch.“
Bei den Schlitten angekommen stellte uns Maja Alex, einen ausgewanderten Österreicher vor, der uns ebenfalls begleiten würde. Wir bekamen eine ausführliche Einweisung in die Steuerung des Hundeschlittens, denn jeder von uns würde sein eigenes Gespann bestehend aus Schlitten und 5 Hunden steuern. Vor allem die Handhabung der Schneebremse und des Ankers wurde uns erklärt und wir sollten auch wenn wir stürzen den Schlitten nicht loslassen, denn sonst wäre dieser weg. Glücklicherweise stellte sich später heraus, dass es ganz so schlimm nicht ist, da die Hunde spätestens bei unseren Begleitern anhalten würden. Allerdings je nachdem wo man sich in der Gruppe befand musste man dann ein gutes Stück zu Fuß durch den tiefen Schnee stapfen. Solche Fußmärsche blieben mir erspart, da ich nicht vom Schlitten fiel.
Nach der Einweisung wurden uns die Hunde, welche bisher im Schnee neben dem Schlitten ein Nickerchen gemacht hatten, vorgestellt. Vorne an der Spitze 2 erfahrene Weibchen, so dass die Männchen, die unmittelbar vor dem Schlitten waren diesen hinterherlaufen. Sie verfügten über die meiste Power. Dazwischen befand sich noch ein einzelner junger Hund, der sozusagen durch die Erfahrung der älteren Hunde angelernt werden sollte.
Endlich ging es los: als schwarzes Michelin Männchen mit orangener Mütze stand ich hinten auf dem Schlitten und vor mir pflügten die Hunde durch den Schnee. Unglaublich was sie für eine Kraft entwickelten und dabei ließen es unsere Guides erstmal ruhig angehen.
Wir fuhren als lange Kette hinter einander her. Denn Alex hatte uns erklärt, dass wir für die Hunde keine Autoritätsperson sind und diese somit nicht auf unsere Kommandos hören würden.
Wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter, denn gegen Mittag verflüchtigten sich die Wolken, so dass weit entfernt am Horizont ein buntes Farbenspiel der immer noch verborgenen Sonne zu sehen war.
Nachdem wir eine knappe Stunde gefahren waren machten wir eine kleine Pause. Endlich. Nicht weil ich nicht mehr konnte, sondern weil ich Fotos machen wollte. Während der Fahrt hatte ich Angst um meine DSLR – eine Bruchlandung im Schnee wollte ich mit ihr nicht riskieren – so dass ich nur die GoPro auf dem Kopf benutzte. Die meisten Fotos aus diesem Beitrag stammen von der GoPro. Bedauerlicherweise war der Akku dieser kleinen Outdoorkamera innerhalb kürzester Zeit leer.
Für mich ging die Pause viel zu kurz. Mehr als eine handvoll Fotos konnte ich nicht machen. Für die Hunde war die Pause sichtlich zu lang. Kurz nachdem wir angehalten hatten begannen sie sich wie verrückt im Schnee zu wälzen. Mussten sie ihre erhitzten Körper abkühlen? Kurz darauf wollten sie schon wieder losrennen. Sie zerrten am Schlitten, welcher fest mit dem Anker im Schnee verankert war, sprangen ungeduldig auf und ab und als sich die vordersten Schlitten wieder in Bewegung setzen fingen sie unglaublich laut an zu bellen und heulen. Als wollten sie ausrufen: „Auf, los geht’s! Lasst uns rennen!“ Schier unglaublich wieviel Tatendrang und Energie diese Vierbeiner an den Tag legten.
Vorsichtig löste ich den Anker stand aber zeitgleich zur Sicherheit noch auf der Bremse. Diese konnte die Hunde kaum abhalten den Schlitten zu ziehen. Als ich langsam die Fußbremse löste schossen wir mit alarmierender Geschwindigkeit los. Die Schlittenhunde preschten derart vorwärts, dass mir aufgewirbelter Schnee ins Gesicht flog. Nachdem ich den ersten Schreck des stürmischen Anfahrens überwunden hatte entspannte ich mich und genoß die Fahrt durch die eisige, verschneite Landschaft. Der Blick reichte weit bis zum Horizont, wo die letzten Sonnenstrahlen versuchten sich gegen aufziehende Wolken zur Wehr zu setzen. Wir erklommen kleinere Berge bei denen ich die Schlittenhunde durch Anschieben des Schlitten unterstütze, um uns kurz darauf in halsbrecherischer Fahrt den Hügel wieder hinunter zu stürzen.
Es war ein berauschendes Gefühl und als wir wieder die nächste Pause machten konnte ich es kaum glauben, dass weitere 3 Std. vergangen waren. Im Schein unserer Stirnlampen tranken wir heißen Tee, aßen eine Kleinigkeit und genossen es draußen in der Wildnis zu sein. Die Schlittenhunde waren diesmal wesentlich ruhiger, zusammengerollt dösten sie im Schnee.
Am frühen Abend erreichten wir nach knapp 6 Stunden wieder das Senter. Ich hätte noch stundenlang weiterfahren können und bereute es fast, dass wir nur einen Tag mit dem Hundeschlitten unterwegs waren. Ein wirklich großartiges Erlebnis. Ich würde es jederzeit wieder machen, gerne als Mehrtagestour. Aber nicht während der Polarnacht, sondern zur Abwechslung mal bei Sonnenschein.
Ein paar bewegte Sequenzen vom Hundeschlitten fahren gibt es in unserem Video: Tromsø – Auf der Suche nach Lichtern.
Es gibt noch ein professionell gemachtes Video, u.a. mit Maja beim Hundeschlitten fahren. Klickt euch bei Vimeo rein.
Discover Tromsø – A dream I had from Discover Tromso on Vimeo.
2 Responses
doris
interessanter bericht, schöne bilder – aber warum müssen es 300 schlittenhunde sein? Wie ist das tierfreundlich zu handhaben?
Wieviel muß da verdient werden um alle satt zu kriegen?
Ich will garnicht weiter drüber nachdenken …
Thomas
Das ist leider der bittere Beigeschmack an der Sache.
Die Hunde haben auch Ruhetage deshalb werden es so viele sein.
Aber ich denke, dass der Hauptgrund die hohe Nachfrage ist, denn wenn z.B. ein voller Reisebus kommt werden bestimmt 200 Hunde (oder mehr) benötigt. Die Hunde im Winter satt zu bekommen stelle ich mir nicht weiter problematisch vor. Aber was im Sommer ist, wenn man kein Hundeschlitten fahren kann mangels Schnee …