In der Karstregion Sloweniens verbirgt sich der Eingang ins Reich der Toten: die Škocjanska Jame – die Höhlen von Škocjan (zu deutsch: Höhlen von St. Kanzian). So jedenfalls mussten die Menschen damals über diese spektakuläre Höhlenwelt gedacht haben, wie Funde von geopferten Waffen und Tieren vermuten lassen. Vielleicht lag es an dem Fluss Reka, welcher laut und wild tosend durch die ewige Dunkelheit der Škocjanska Jame fließt. Auch in der griechischen Mythologie bringt der alte Fährmann Charon die Toten für einen Obolus auf seinem kleinen Boot über den Totenfluss Acheron (Styx) hinein ins Reich der Toten, wo der Gott Hades über diese Unterwelt herrscht. Daher war die Vorstellung, dass sich hier der Eingang in den Hades befand, auch gar nicht so abwegig. Doch auch wenn die Höhlen von Škocjan natürlich nicht in das Reich der Toten führen, so gelangt man jedoch in eine einmalige, spektakuläre Unterwelt. Kein Wunder also, dass die Höhlen von der UNESCO 1986 zum Weltnaturerbe deklariert wurden.
Auch wir wollten das Höhlensystem von Škocjan während unseres Roadtrips durch Slowenien besichtigen und machten uns auf nach Škocjan, welches leicht über die Autobahnen Sloweniens erreichbar und nur 20 km von Triest (Italien) entfernt ist. Für die kommenden Tag war für ganz Slowenien nur Regen vorhergesagt und an Wandern nicht zu denken. Daher dachten wir uns, dass ein Besuch in einer Höhle sich perfekt anbieten würde, denn hier war es egal, ob es regnete, stürmte oder schneit. Zum Glück hatten an diesem Tage nicht so viele Menschen die selbe Idee wie wir und die Besuchermassen hielten sich in überschaubaren Grenzen. Kein Vergleich zum gestrigen Regentag, welchen wir in der Postojnska Jama – die Höhle von Postojna (zu deutsch: Adelsberger Grotte) LINK verbrachten. Denn auch wenn die Höhlen von Škocjan vielleicht früher mal als Eingang zur Unterwelt galten, so ist in der heutigen Zeit in der Höhle von Postojna wirklich die Hölle los.
Als wir an den Höhlen von Škocjan ankamen, gab es zu unserer Freude dort einen kostenfreien Parkplatz. Und das Beste daran war, das dieser nicht einmal überfüllt war und so fanden wir schnell ein Plätzchen für unseren kleinen CamperVan. Wir packten uns und die Kameras regensicher ein, denn bis zum Eingang der Höhle, so wussten wir, musste man noch ein gutes Stück gehen. Zudem empfahlen uns Leute auf dem letzten Campingplatz unbedingt die lange Tour (Tour 1+2) zu buchen, wobei man sich beim zweiten Teil vornehmlich draußen aufhielt und darauf wollten wir vorbereitet sein.
Auch am Kassenhäuschen war der Trubel überschaubar. Wir kamen gerade noch rechtzeitig, um an der nächsten Tour, die in 10 Minuten startete, teilnehmen zu können. Die Tour 1, welche durch die Höhle führt, ist nur mit einer Führung zugänglich. Auf der Tour 2 dagegen kann man auf eigene Faust die eingestürzten Höhlensysteme erkunden und läuft dabei hauptsächlich im Freien durch eine Schlucht. Trotz des Regens entschieden wir uns beide Touren zu buchen, auch wenn die Dame im Kassenhäuschen extra noch einmal betonte, dass es im Freien wäre. Aber wir waren einfach guten Mutes, dass bis dahin der Regen aufgehört haben würde, und ansonsten waren wir ja gut eingepackt.
Bis zum künstlichen Höhleneingang waren es knapp 500 m, die wir im Gänsemarsch zurücklegten. Wir wurden in vier Gruppen eingeteilt, wobei die deutschsprachige Gruppe als Erste zu ihrer Erkundungstour starten durfte. Nach einer kurzen Einführung betraten wir die Höhle durch einen künstlichen Tunnel und fanden uns wenig später in der ersten natürlichen Halle, der Stillen Grotte, wieder. Hier, wie auch in der gesamten Höhle, gab es wenig Licht und der Regen der letzten Tage führte dazu, dass sich die hohe Luftfeuchte als Nebelschwaden mit dicken Wassertropfen, die schwer in der Luft hingen, niederschlug. Ans Fotografieren war unter diesen Bedingungen nicht zu denken, aber dies war auch nicht erlaubt und unsere Führerin achtete peinlich genau darauf, dass dies eingehalten wurde.
In der Höhle gab es natürlich auch Tropfsteine zu bewundern, aber nur wenige und bei weitem nicht so spektakulär, wie dies in der Höhle von Postojna der Fall gewesen war. Da waren wir wohl durch unseren gestrigen Höhlenbesuch verwöhnt gewesen. Es wäre jedoch auch recht langweilig, wenn wir in den Höhlen von Škocjan abermals „nur“ Tropfsteine hätten betrachten können. Das Highlight des Höhlensystem von Škocjan ist etwas ganz anderes und zwar der Fluss Reka, der hier in die Erde abtaucht und diese spektakuläre Landschaft unter der Erde formte und so einen 3,5 km langen, bis zu 60 m breiten und über 140 m tiefen Canyon ins Gestein fräste.
Immer weiter wanderten wir durch das Höhlensystem, hielten hier und da an und hörten gespannt unserer Führerin zu, die uns viele interessante Geschichten und Informationen zu den Höhlen erzählte. Von Anfang an begleitete uns das Rauschen des Flusses, das nun mit jedem Schritt immer stärker anschwoll bis man kaum mehr sein eigenes Wort verstehen konnte. Der Regen ließ den Fluss zu einem wild tosenden Strom anschwellen und die Luft schien vollständig mit Wasserdampf geschwängert zu sein. Auf einer schmalen Brücke überquerten wir die Reka, welche 45 m unter unseren Füßen schäumend alles mit in die Erde riss, was sich ihr in den Weg stellte. Diese riesige Halle war sehr imposant und ich glaube wir alle liefen mit offenen Mündern und Ehrfurcht durch diese beeindruckend Demonstration reiner Naturgewalten.
Verstärkt wurde dieser Eindruck durch eine Markierung an der Wand über unseren Köpfen: bis zu dieser Stelle stieg einst das Wasser des Flusses an, denn dieser flutetet regelmäßig die Höhle, wenn sein Abfluss von zu vielen mitgerissen Stämmen, Steinen und Abfall verstopft wird. Diese unglaublichen Wassermassen konnte man sich kaum vorstellen, sah man doch gerade die nachfolgende Gruppe die Halle betreten, die wie eine kleine Ameisenstraße wirkte, als sie dem Pfad durch die große Halle folgte.
Trotz der Dunkelheit und der hohen Luftfeuchte war es eine einmalige Stimmung und man fühlte sich wie in einer anderen Welt. Man sah hier und da noch immer die Spuren der alten Höhlenforscher und der ersten Pfade der ersten Führungen durch das Höhlensystem und war froh, nun mit ausreichend Licht und auf gut gesicherten Wegen unterwegs zu sein. Doch beflügelten diese Wege unsere Fantasie und wir fragten uns, wie es wohl war, als die ersten Menschen, nur mit Taschenlampen bestückt, zum ersten Mal in diese dunkle neue Welt eintauchten.
Kurz danach war die erste Tour vorbei und wir verließen das Höhlensystem ohne die Höhle wirklich zu verlassen, denn an diesem Punkt war die 135 m hohe Höhlendecke eingestürzt und gab den Blick auf den Himmel und einen 10 m hohen Wasserfall der Reka frei.
An diesem Punkt beginnt auch die Tour 2, die auf einem 2 km langen Lehrpfad vorbei an weiteren Einsturztrichtern erst immer der Reka folgt und durch das Dorf Škocjan wieder zurück zum Besucherzentrum führt. Zu unserem großen Entzücken hatte es aufgehört zu regnen und wir konnten trocken den Lehrpfad erkunden. Ja am Ende wurde es sogar so schwül-warm in den engen Canyons, dass wir uns schleunigst unserer Regenjacken entledigen mussten und gehörig ins Schwitzen kamen.
Als Fazit lässt sich sagen, dass das Höhlensystem von Škocjan völlig anders ist als die bekanntere Höhle von Postojna. Letztere besticht eher durch die pure Masse an Tropfsteinen in allen Formen und Farben, wohingegen das Höhlensystem von Škocjan durch den Fluss Reka geprägt ist und genau dieser Fluss macht die Höhle so spannend und spektakulär, dass man die Škocjanska Jame auf keinen Fall einfach „links liegen lassen“ sollte. Auch wenn sie weniger durch Tropfsteine bestechen kann, ist hier, dank der Reka, die sich so dramatisch ihren Weg durch den Untergrund gesucht hat, eine einzigartige Unterwelt entstanden, die wirklich ihres Gleichen sucht. Wir jedenfalls waren sehr begeistert von diesem Ausflug und haben ihn keine Sekunde bereut, auch wenn wir erst den Tag zuvor die Höhle von Postojna besucht hatten. Jede Höhle hatte ihren ganz eigenen Reiz und ist, unserer Meinung nach, nicht vergleichbar.
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