Eine weitere Windböe erfaßt uns, weht uns vom Plankenweg in die Büsche. Im Visitorcenter, wo wir vor 2 Stunden aufbrachen, war die Rede von Winböen bis 80 km/h. Das diese uns trotz Trekkingstöcken von den Füßen fegen, können wir kaum glauben. Nass bis auf die Knochen sind wir bereits seit dem Startpunkt am Ronny Creek, denn seit zwei Tagen regnet es nahezu ohne Pause in der Cradle Mountain Region. Was ein Beginn des Overland Tracks …
Der Overland Track (OVT) gilt als einer der zehn schönsten Wanderwege der Welt. Es handelt sich dabei um einen 65 km langen alpinen Wanderweg im Herzen Tasmaniens. Der Wanderweg startet beim Ronny Creek in den Cradle Mountains und führt durch das tasmanische Weltnaturerbe mit eiszeitlichen Tälern, Regen- und Eukalyptuswäldern, alpinen Ebenen und Buttongrass-Moorland bis hin zum Lake Saint Clair, Australiens tiefstem See. In der Hauptsaison vom 01.10. – 31.05. muss der Weg vorab gebucht werden und kann nur in Nord-Süd-Richtung gelaufen werden. In dieser Zeit fällt eine Gebühr von 200 AUD pro Person an (Stand 2015).
Auf dem Overland Track (OVT) stehen zahlreiche Zeltmöglichkeiten und Hütten zur Verfügung. Anders als bei den Wanderungen in Neuseeland können diese aber nicht vorab reserviert werden, sondern es gilt „first come, first serve“. Nachfolgend eine Auflistung der verschiedenen Etappenziele:
Name | Schlafplätze | Zelten | Wasser | Toilette |
Kitchen Hut | E.o. | n.a. | n.a. | ja |
Waterfall Valley Hut | 24 | gut | RWT | ja |
Windermere Hut | 16 | gut | RWT | ja |
Old Pelion Hut | E.o. | n.a. | n.a. | n.a. |
New Pelion Ht | 36 | gut | RWT | ja |
Kia Ora Hut | 20 | gut | RWT | ja |
Du Cane Hut | E.o. | n.a. | n.a. | n.a. |
Bert Nicholas Hut | 24 | gut | RWT | ja |
Narcissus Hut | 18 | gut | RWT | ja |
Echo Point Hut | 8 | schlecht | See | ja |
E.o. = Emergency only | n.a. = not available | RWT = Regenwassertank
Für den Wanderweg sollte man im Normalfall circa 6 Tage einplanen, auch wenn der Rekord im Moment bei 7:25 Stunden liegt. Da aber mehrere Abstecher auf dem Weg möglich sind, wie z.B. auf den Mount Ossa (höchster Berg Tasmaniens, 1617 m), zur Acropolis oder zu verschiedenen Wasserfällen, kann man den Weg durchaus um einige Kilometer und Tage verlängern. Da man jedoch in jeder Hütte solange bleiben darf wie man möchte, stellt dies kein Problem dar, sodass jeder für sich sein ganz eigenes Tempo finden kann diesen einzigartigen Wanderweg zu erleben. Nach diesen allgemeinen Informationen über den Overland Track nun ein kleiner Einblick in unser 8-tägiges Overland-Abenteuer.
Vorbereitungen in Devonport und zwei Tage in Cradle Mountain
Es war unser letzter Tag in Devonport. Wir saßen in einem Café – dem Drift. Vor uns brandeten die Wellen aufgewühlt ans Ufer. Die Wolken hingen tief und es regnete seit Stunden. Unseren Mietwagen hatten wir am Morgen schweren Herzens abgeben. Unser Zelt steht auf dem Mersey Bluff Campingplatz für unverschämte 26 AUD, gefüllt mit Lebensmitteln für die nächsten 13 Tage und 15 Liter Trinkwasser für die nächsten zwei Tage in den Cradle Mountains. Es gab keinen Platz mehr für uns, um dem Regen zu entgehen. Hoffentlich hört es bald auf zu regnen, sodass wir kein nasses Zelt einpacken müssen und die 3 km zu Fuß zur Busstation an der Touristeninformation trockenen Fußes zurücklegen können …
Am nächsten Morgen hatte der Regen aufgehört. Trotzdem packten wir ein nasses Zelt ein. Zum Glück fanden wir am Ausgang des Campingplatzes einen verlassenen Einkaufswagen, sodass wir die zwei Einkaufstüten mit Lebensmitteln und den 15 Liter Wasserkanister nicht selber schleppen mußten … zumindest nicht bis zum Supermarkt, wo wir den Wagen wieder abgaben.
Um 09:20 waren wir an der Touristeninformation, dem Abfahrtsort der Busse nach Craddle Mountain. Völlig verschwitzt vom Tragen des zusätzlichen Gewichts brannte die Sonne, auf die wir gestern vergeblich so sehnlich warteten, nun unerbittlich auf uns herab. Jetzt, wo wir etwas Abkühlung hätten gebrauchen können. Aber so ist es nun mal mit dem Wetter: man muss es nehmen wie es ist, gerade hier auf den „Roaring Forties“.
Die Busfahrt war lang und kurvenreich. Mit jeder Straßenwindung wurde das Wetter wieder schlechter und als wir Cradle Mountain erreichten regnete es erneut. Nichtsdestotrotz war dies der Ort mit den meisten Touristen – mehr Leute haben wir bisher nirgends rumwuseln sehen.
Unser Zelt schlugen wir auf dem Cradle Mountain Holiday Park auf. Fanden wir das Camping in Devonport schon teuer, hauten uns hier die Preise fast um: 36 AUD pro Nacht für ein Zelt ohne Stromanschluss. Zum Glück war unser Zeltplatz windgeschützt, denn es stürmte ganz gewaltig und dazu noch Regen.
Zwei Tage verbrachten wir auf dem Zeltplatz, versuchten in der großen Küche dem Regen zu entgehen und uns dort die Zeit mit Kartenspielen, am Feuer sitzen oder bei Gesprächen mit anderen Wanderern zu vertreiben. Wann immer wir den kostenlosen Shuttlebus nach Ronny Creek zum Startpunkt des Overland Tracks nahmen, um dort auf die Suche nach Wombats zu gehen, hingen dort die Wolken tief und der Wind bließ uns den Regen ins Gesicht. Zu unserem Glück sahen wir trotzdem ein paar Wombats und zu unserer Freude waren sie alle gesund.
In den Nächten bekamen wir immer Besuch von Possums, welche in der Apsis unseres Zeltes rumturnten, am Rucksack und dessen Reißverschlüssen knabberten oder einfach nur mit großen Augen durch das Moskitonetz ins Zeltinnere schauten. Erholsame Nächte sehen etwas anders aus …
Tag 1 Overland Track: Ronny Creek zur Waterfall Valley Hut (11 km)
Es regnet, es regnet, die Erde wird nass …
Als um 06:00 Uhr der Wecker klingelte waren wir wie gerädert, da uns die Possums vergangene Nacht auf Trap hielten. Wir schnappten uns schnell unsere Rucksäcke und räumten alles in die Küche, um im Trockenen unsere Sachen packen zu können. Natürlich war unser Zelt pitchnass. Als Einzige nahmen wir um 08:15 Uhr den Shuttlebus zum Start des Overland Tracks am Ronny Creek.
Es regnete von Beginn an und die Wolken hingen so tief, dass wir nichts von den umliegenden Bergen sahen. Das Thermometer zeigte ungemütliche 4 Grad und der Wind peitschte uns den Regen um die Ohren. Das erste Tal gewehrte uns etwas Windschutz. Malerisch rauschte ein Fluß hindurch und wir kamen an einem Wasserfall vorbei. Unterhalb vom Marions Lookout fegte uns der Wind fast von den Beinen und für einen kurzen Moment konnten wir den Dove Lake sehen.
Der Aufstieg zum Marions Lookout ist nur an einer Stahlkette zu bewältigen. Es ging fast senkrecht hinauf. Oben angekommen war die Sicht gleich null. Wir setzten unseren Weg auf einer Art Plateau Richting Kitchen Hut, einer Notunterkunft, fort. Uns kamen zwei Wanderer entgegen, die versucht hatten den Cradle Mountain zu erklimmen, doch sie mussten ihren Versuch aufgrund des Windes (laut Wettervorhersage 80 km/h) und Regens abbrechen. Kurz vor der Kitchen Hut, welche plötzlich aus dem Nebel auftauchte, überholte uns eine Familie in kurzen Hosen, T-Shirts und die Kinder in leichten Turnschuhen (Chucks). Sie wollten so ausgestattet den Cradle Mountain erklimmen. Auch ein weiterer Wanderer, der 50 m vor dem Gipfel aufgeben musste, brachte sie nicht von ihrem Vorhaben ab. Wir entscheiden uns gegen eine Gipfelbesteigung des Mount Cradle. Zum einen war es bei diesem Wetter viel zu gefährlich, zum anderen hätte man keine Aussicht. Es machte also gar keinen Sinn auf den Berg zu steigen … es sei denn, man möchte um jeden Preis sagen können „Ich war auf dem Gipfel des Cradle Mountains!“. Da dies aber nicht unsere Intention war, machten wir eine Pause in der Kitchen Hut, aßen ein paar Nüsse – wind- und regengeschützt.
So gestärkt wanderten wir weiter. Wind und Regen wurden heftiger. Es fiel uns schwer uns trotz Stöcken auf den Beinen zu halten. Wir begegneten niemandem, die Sicht versperrten uns graue Wolken. Dennoch ließen wir uns die Stimmung nicht vermiesen und wanderten weiter. Nach knapp 4 Stunden erreichten wir bereits die Waterfall Valley Hut. Wir wurden nett von der freiwilligen Hüttenwärterin empfangen und konnten unsere nassen Sachen auf die Veranda hängen. In der Hütte saßen fünf weitere Personen, die entschieden hatten heute nicht zu wandern, in ihren Schlafsäcken am Tisch. In der Hütte waren es 12 Grad. Erst ab unter 10 Grad darf der Gasofen aus Energiespargründen angeschaltet werden. Wir zogen unsere trockenen Sachen an und tranken Tee, während der Regen gegen die Hütte donnerte. Ich bezweifelte, dass unser Zelt diesem Weltuntergang standgehalten hätte. In der Hütte war es gemütlich und es war ein tolles Gefühl nicht mehr den Elementen ausgesetzt zu sein.
Am Nachmittag kam eine Gruppe von fünf Asiaten an. Mit der Ruhe war es vorbei: überall breiteten sie sich aus, würden am liebsten ihre vor Nässe tropfenden Sachen über den Ofen hängen. Die Hütenwärtin erklärte ihnen, dass dies wegen der entstehenden hohen Luftfeuchte nicht geht. Ein paar zeigten Einsicht, der Rest breitete sich weiterhin laut und hektisch aus. Ich kann dieses Verhalten nicht verstehen. Jegliches gemütliche Gefühl, die Behaglichkeit in der Hütte, war verflogen. Dafür bekamen wir aber eine Kürbissuppe und Pfeffernüsse von der Famile, die morgen ihre Wanderung abbrechen wird, geschenkt. Nach dieser Leckerei verzogen wir uns bis zum Abendbrot in die Schlafsäcke.
Bereits früh lagen alle in ihren Betten, denn um 20:00 Uhr schaltete die die Hüttenwartin zum letzten Mal die Heizung ein, während der Regen unermüdlich auf das Dach prasselt und der Wind die Hütte regelmäßig zum Erzittern brachte.
Tag 2 Overland Track: Ruhetag
Wir hatten überraschend gut geschlafen. Die Schnarcher hielten sich in Grenzen. Um 06:00 Uhr wurden wir trotzdem wach, denn die Asiaten packten ihre Rucksäcke – ohne Rücksicht direkt vor den Betten und nicht auf der überdachten Veranda. Wir blieben in unseren Schlafsäcken, denn Dank Dauerregen setzten wir unser Vorhaben zum Barn Bluff (1559 m) zu wandern nicht in die Tat um. Stattdessen legten wir einen Regenpausetag ein und hofften auf besseres Wetter.
Ab 10:00 Uhr waren wir allein in der Hütte. Herrlich entspannend. Wir machten ein bißchen Hausputz, spielten Karten und erzählten mit der Hüttenwartin. Am Nachmittag wurde der Regen immer heftiger und der Wind wurde so stark, dass die Hütte erzitterte. Um die Hütte bildeten sich zahlreiche kleine Flüsse. Einer floss sogar über den Plankenweg, welcher um die Hütte führte. Zwischenzeitlich hagelte es und die Temperaturen fielen auf 2 Grad. Gegen 15:00 Uhr kam eine Gruppe von 11 Personen. Im Laufe des Nachmittags wurde es immer voller, denn es tröpfelten immer mehr Wanderer rein. Die letzte Gruppe kam um 21:00 Uhr: 2 Männer mit 2 kleinen Kindern. Unglaublich, das sie bei diesem schlechten Wetter gestartet waren. Aber die Kinder wirkten recht vergnügt, nachdem sie trocken und satt waren.
Tag 3 Overland Track: Waterfall Valley Hut zur Windemere Hut (8 km)
Die vergange Nacht war sehr unruhig: ein Haufen Schnarcher, einer lauter als der andere und einer direkt neben mir. Es gibt nichts schlimmeres für mich als schnarchen, es stört meinen Schlaf ungemein. Ich hoffte sehr oft auf Windböen, die lauter an der Hütte schepperten als die Schnarcher am Holz sägten.
Ab 05:00 Uhr konnte ich nicht mehr schlafen und um 06:30 Uhr standen wir letztendlich auf. Am Vorabend hatten wir alles schon zusammengepackt, sodass es am Morgen schnell und leise gehen konnte. Nach einem Müsli hatten wir bereits um 07:30 Uhr alles in unseren Rucksäcke verstaut, sodass wir bereit waren zum Loswandern. Für die ersten 30 Minuten schien sogar die Sonne und wir genossen sehr ihre wärmenden Strahlen in der wunderschönen Landschaft zu spüren. Aufgrund des vielen Regens der letzten Tage wurde der Wanderweg zum Flussbett – uns störte dies nicht.
Dann änderte sich das Wetter schlagartig: der Wind frischte auf und bließ uns deftig Schnee und Hagel um die Ohren. Auch dies störte uns nicht, denn das harte Wetter und die Wolken, durch welche wir wanderten und die nur ab und an den Blick auf die Landschaft freigaben, hatte etwas magisch bzw. mystisches. Immer wieder stoppten wir, fühlten uns an Island erinnert oder spekulierten über mögliche Filmsets.
Bereits nach drei Stunden erreichten wir die Windemere Hut. Wir richteten unser Bett ein, hängten die nassen Klamotten zum Trocknen auf und hatten einen netten Plausch mit dem noch recht jungen Ranger. Er erzählte uns, dass ihm einer der Asiaten, die wir in unserer ersten Nacht in der Waterfall Valley Hut trafen, vor seinen Zimmereingang pinkelte, da sie beide Meinungsverschiedenheiten wegen der Benutzung des Gasofens unter 10 Grad und dem Reinhängen von nassen Sachen hatten und dass man die große Hütte mit dem kleinen Ofen eben nicht auf 25 Grad hoch heizen könnte. Wir waren baff und froh, dass wir durch unseren Ruhetag in der Waterfall Valley Hut dieser Gruppe entkommen waren.
Gegen Mittag trudelten die anderen Wanderer ein und am frühen Nachmittag, wir trauten unseren Augen kaum, zeigte sich die Sonne. Wie Eidechsen wälzten wir uns auf einer aufgeheizten Holzplattformen für Zelte und ergötzen uns an den wärmenden Strahlen. Unsere nassen Schuhe trockneten so auch gleich viel besser. Leider war diese Wetterstimmung nur von kurzer Dauer, denn am Nachmittag zogen wieder Wolken auf und es begann zu regnen. Zum Glück sorgte der Ranger mit der aktuellen Wettervorhersage für die nächsten drei Tage für Jubelschreie: Sonne und 20 Grad!
Am Abend erzählten wir viel mit den zwei Vätern und ihren beiden kleinen Söhnen (10 Jahre). Beide haben den Overland Track bisher mit all ihren kleinen Kinder gemacht bzw. war einer der beiden sogar für fünf Monate auf Radreise durch Europa mit seinem damals 5-jährigem Sohn. Beeindruckt und erfüllt von solchen Geschichten ging es in den Schlafsack.
Tag 4 Overland Track: Windemere Hut zur New Pelion Hut (16,8 km)
Leider mußte ich in der Nacht aus unserer Schlafkoje ausziehen: diese war so schmal, dass meine Isomatte mit mir ständig runter rutschte. Dies und ein schnarchender Berglöwe im Zimmer machte das Schlafen fast unmöglich. Außerdem wurde es in der Nacht in der Hütte bitterkalt, sodass ich Socken, lange Unterhose, Jacke und Mütze anzog, da ich im Schlafsack fror. Die Quittung am Morgen: ein kratzender Hals und Schluckbeschwerden. Jetzt krank zu werden wäre echt schade.
Während wir frühstückten zeigte sich die Sonne und ein strahlend blauer Himmel war zu sehen. Als Manu ihren Rucksack, welcher nachts in der Hütte stand, packte, zeigte das Thermometer 4 Grad! Dies öffnete uns die Augen wie kalt es in der Nacht trotz der ganzen Personen in der Hütte gewesen sein musste. Draußen sank die Quecksilbersäule sogar knapp unter den Gefrierpunkt als wir loswanderten. Entsprechend waren auch die Plankenwege und Pfützen: mit einem Hauch Eis überzogen.
Wir wanderten durch eine herrliche Landschaft im sanften Orange der aufgehenden Sonne. Unsere Blicke schweiften umher, wir sahen zum ersten Mal den Barn Bluff (wenn auch in weiter Ferne), welchen wir eigentlich an Tag 2 hätten erklimmen wollen. Wir waren in Hochstimmung, denn zum ersten Mal seit sieben Tagen hatten wir wieder blauen Himmel und keinen Regen!
Bereits nach 90 Minuten hatten wir den Forrest Valley Lookout erreicht. Wir entspannten in der Sonne und knabberten ein paar Nüsse. Als wir weiter wanderten sahen wir in der Ferne unser heutiges Etappenziel: die New Pelion Hut. Allerdings lag zwischen uns und dieser noch ein Tal. Der Weg durch das Tal war eine Herrausfoderung, denn durch den Regen der vergangen Tage glich der Wanderweg an guten Stellen einem Flussbett und ansonsten einer knietiefen Matschpiste. Der Wanderweg erinnerte mich an das Wildschweingehege in der Fasanerie in Hanau Klein-Auheim. Fast roch es auch so … Mit unseren Trekkingstöcken versuchten wir die größten Untiefen auszumachen. Nichtsdestotrotz waren wir am Ziel nach 16,8 km bis zu den Knien Schlamm verschmiert. Als Kind wären wir derart dreckig wohl mit Sack und Pack unter die Dusche gestellt worden. Doch auf dem Overland Track liegt eine Dusche nur in weiter Ferne.
Wir waren die Einzigen in der riesigen Hütte und nutzen dies zumindest für eine Katzenwäsche bzw. zum entschlammen der Klamotten. In der Sonne hängten wir alles auf und es hätte alles so unbeschwert sein können, wäre da nicht mein kratziger Hals und die Tatsache, dass mein Weitwinkelobjektiv voll mit Kondenswasser war! So ein Mist!! Aber zum Glück half auch hier die Sonne und trocknete alles!
Als wir eine Schüssel Haferflocken aßen kamen immer mehr der anderen Wanderer. Nach unserem Snack bauten wir unser Zelt zum Trocknen auf: es war, als hätte jemand einen Eimer Wasser darüber ausgekippt, so unglaublich nass war es. Selbst im Innenzelt am Boden bildeten sich Pfützen. Nachdem das Zelt wieder trocken war verbrachten wir den Nachmittag zusammen mit der israelischen Wandergruppe auf einer Holzplattform und genossen die Sonne während unsere Blicke über die Buttongras-Ebene zum Horizont schweifte. Dort sah man in der Ferne noch den Barn Bluff und den Cradle Mountain, die uns beide verwehrt blieben. Doch morgen sollte der Abstecher zum Mount Ossa, dem höchsten Berg Tasmaniens, kommen und das Wetter sah vielversprechend aus.
Tag 5 Overland Track: New Pelion Hut zur Kia Ora Hut (8,6 km)
Dank der einzelnen Räume in der New Pelion Hut (für je 9 Personen) hatten wir sehr gut geschlafen. Kein Schnarcher störte unsere nächtliche Erholung. Leider war es nun definitiv sicher: ich hatte eine handfeste Erkältung! Die Nase war verstopft, der Hals tat weh und die Lymphknoten waren geschwollen. Und das heute, wo der anstrengenste Part anstehen sollte: die Gipfelbesteigung des Mount Ossa, dem mit 1617 m höchsten Berg Tasmaniens.
Aber wie heißt es so schön: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Statt wie gestern blauer Himmel und Sonnenschein erwarteten uns heute Morgen tiefhängende graue Wolken. Wir ließen uns nicht entmutigen und starteten schnell und routiniert in den Tag. Auf matschigen Wegen ging es durch den Wald 400 m hoch zur Pelion Gap (1163 m). Der Wind frischte immer mehr auf und schaukelte die Bäume hin und her. Als wir die Pelion Gap nach 1,5 Stunden und damit die Abzweigung zum Mount Ossa bzw. zum Mount Pelion East erreichten, waren beide Gipfel hinter dichten Wolken versteckt. Nur Mount Doris war zu erkennen. Wir machten an der Abzweigung eine kurze Pause und beschlossen dann, aufgrund des windigen Wetters und der tiefen Wolken, nicht den Gipfelsturm zu wagen. Der Abstieg zur Kia Ora Hütte dauerte länger als der Aufstieg. Ich war ziemlich fertig, kam nur noch langsam vorran. Die Erkältung raubt mir die Luft und Energie … Nach 2,5 Stunden fiel ich, endlich an der Hütte angekommen, nur noch schnell in den Schlafsack und schlief ein paar Stunden.
Am Nachmittag kamen die ersten Wanderer an, welche den Gipfelversuch gewagt hatten. Letztendlich mußten alle wegen zu starker Winde und mangelnder Sicht umdrehen. Somit hatten wir alles richtig gemacht, zumal ich auch bestimmt nicht die Kraft für den Mount Ossa gehabt hätte.
Wir spielten noch etwas Karten, bevor es früh ins Bett ging um neue Kräfte zu sammeln, denn noch lagen einige Kilometer zwischen uns und dem Ziel am Lake St. Clair.
Tag 6 Overland Track: Kia Ora Hut zur Bert Nichols Hut (9,6 km)
Auch heute Morgen ging es mir nicht besser aber wenigstens auch nicht schlechter! Vereinzelt zeigte sich etwas blauer Himmel zwischen den grauen Wolken als wir wie immer früh starteten.
In der Nacht hatte es geregnet, sodass unsere Hosen, welche aufgrund der schmalen Wege an den nassen Büschen entlang streiften, nach kurzer Zeit durchgeweicht waren. Der Weg führte durch einen Regenwald und wir fühlten uns stark an „Herr der Ringe“ erinnert. Ein unglaublich verwunschener Wald mit vielen Moosen und Flechten und selbstverständlich jeder Menge Matsch für unsere Füße.
Nach 1,5 Stunden hatten wir die Du Cane Hütte, eine alte Notunterkunft, erreicht, die eine tolle Fotokulisse bot. Eine weitere Stunde später standen wir vor den D’Alton bzw. Fergusson Wasserfällen. Beide führten aufgrund der vielen Regenfälle sehr viel Wasser und boten uns somit ein beeindruckendes, tosendes Schauspiel.
Von nun an führte der Weg stetig bergauf bis zur Du Cane Gap, der letzten größeren Erhebung auf dem Overland Track. Die Sonne schien und es wurde warm, ja fast heiß. Ich schwitzte und brauchte des öfteren eine Pause. Obwohl ich merke, wie meine Kräfte mehr und mehr schwanden erreichen wir die Bert Nichols Hut auf der Windy Ridge schneller als erwartet. Die Hütte wurde Anfang 2014 renoviert und ist nun ein moderner Neubau mit Kunst und sehr viel Platz. Wahnsinn!
Auf der Helikopterlandeplattform relaxten wir in der Sonne und trockneten die matschigen Sachen. Danach gönnten wir uns ausnahmsweise mal ein warmes Mittagessen: CousCous mit Nüssen und Rosinen und als Nachtisch Haferflocken. Am Abend bekamen wir von einer netten Gruppe Schweizer aus Bern eine Packung Trekkingfood geschenkt, was uns sehr freute!
Wir saßen noch eine Weile draußen und genossen den Sonnenuntergang mit Blick auf die Acropolis bevor wir schließlich früh ins Bett gingen. Schließlich möchte ich schnellstmöglich wieder gesund werden.
Tag 7 Overland Track: Bert Nichols zur Echo Point Hut (14 km)
Nach einer erholsamen Nacht ließen wir es morgens sehr ruhig angehen, denn der Ranger teilte uns gestern mit, dass die Narcissus Hütte umgebaut wird. Daher ist sie im Moment täglich von 7:30 – 17:30 Uhr gesperrt. Wir frühstückten in Ruhe und packten unsere Sachen, während fast alle anderen Wanderer schon unterwegs waren: die meisten von ihnen müssen die Fähre an der Narcissus Hut erreichen, die sie über den Lake St. Clair bringt. Wir hatten uns dagegen entschieden die Fähre zu nehmen, sondern wollten die Wanderung zu Fuß zu beenden.
Bevor wir unseren Weg fortsetzten schenken uns die netten Schweizer von gestern nochmals 3 Trekkingfood Packungen! Sie hatten genug von diesem Fertigessen und wir konnten so den Wanderweg mit gut gefühlten Bäuchen beenden, denn diesmal hatten wir sehr sehr knapp mit unserem Essen kalkuliert.
Der Weg führte stetig bergab durch verschiedene Wälder aber immer wieder mit Matsch und Wasser. Uns störte das schon lange nicht mehr. Wir waren nasse Füße gewöhnt und man bekommt auf dem Overland Track eine neue Sichtweise was „Regen“ und „Matsch“ bedeutet. Zwar noch immer erkältet, trotzdem gut gelaunt erreichten wir bereits mittags die Narcissus Hut. Da wir hier nichts weiter machen konnten wegen den Bauarbeiten beschlossen wir zur Echo Point Hütte weiter zu wandern. Vorher teilten wir uns aber erstmal eines der Trekkingfoods. Es war soooo lecker!
Gut gestärkt nahmen wir so die letzten 6,5 km des Weges in Angriff. Abermals durch mehr oder weniger matschige Wälder und vorbei an dem größten Baumpilz, den wir jemals sahen: er hätte locker ein oder zwei Personen als Regenunterstand dienen können. Auf dem Weg trafen wir zwei Österreicher. Diese starteten am Lake Saint Clair und wollten nur mal so zur Narcissus Hut und wieder zurück laufen – 36 km!
Die Echo Point Hut ist eine sehr alte kleine Holzhütte am Seeufer, mit Platz für acht Leute, einem Kohleofen und einer schwarzen Tigerotter unter der Hütte. Doch das war gut: hieß es früher noch, man müßte sein Essen hier vor Ratten sichern, waren von diesen jedenfalls keine mehr zu sehen. Außerdem hatte die Hütte einen sehr gemütlichen, urigen Charme, der uns sehr gut gefiel. Seit einer Weile gibt es hier auch eine neue Kompostierungstoilette, sodass es uns hier an nichts mangelte.
Nach einer Katzenwäsche im See relaxten wir auf dem Bootsanleger und nutzen die Chance endlich wieder Handy-Empfang zu haben. Schließlich waren wir nun zwei Tage früher fertig als geplant und bräuchten noch eine Unterkunft in Hobart. Natürlich dachten wir dabei sofort an Lisa und Danny. Umso glücklicher waren wir, als wir von den beiden erfuhren, dass sie noch ein Zimmer für uns frei hätten!
Später trafen wir auch die beiden Österreicher wieder. Sie waren auf dem Rückweg, hatten kein Wasser mehr und noch 11 km vor sich. Wir konnten ihnen Dank Wasserfilter schnell und einfach helfen und bekamen als Dankschön eine Banane. Nach langem endlich wieder etwas Frisches … ein kleines Festessen für Manu.
Der Abend gestaltete sich wie üblich mit Regen. Wir spielten noch Karten in der Hütte und gingen früh ins Bett, denn in der kleinen Hütte wurde es schnell recht dunkel.
Tag 8 Overland Track: Echo Point Hut zum Lake Saint Clair (11,5 km)
Der Morgen erwartete uns mit gutem Wetter. Wir holten leise alle unsere Sachen aus der Hütte, um die anderen Wanderer nicht zu wecken und packten unsere Rucksäcke auf dem Bootsanleger, nachdem wir bei einer Schüssel Müsli den Sonnenaufgang beobachteten.
Bevor wir starteten bekamen wir von Sam, der den Weg mit seinen zwei Söhnen absolvierte und den wir abends immer in den Hütten trafen, ein kleines Büchlein zum Abschied geschenkt. Kleine Sprüche für unsere weitere Wissensreise um die Welt. Wir haben uns sehr über diese nette Geste gefreut!
Dann ging es immer am Seeufer entlang dem Ende unseres Overland Abenteuers entgegen. Einige kleiner Anstiege und matschige Passagen mussten wir noch überwinden, bevor wir auf dem breiten Weg zum Visitorcenter ankamen. Selbiges ist sehr groß. Wir sattelten unsere Rucksäcke ab, putzen unsere Schuhe an der Desinfektionsstation und gönnten uns im Café ein Stück Kuchen und einen Kaffee. Natürlich teilten wir beides, denn die Preise dort waren mehr als unverschämt. So wollten sie für 50 g Toblerone Schokolade 4,5 AUD (Zum Vergleich: für 400 g zahlten wir sonst im Supermarkt 5 AUD)!
Gestärkt und etwas sauberer machten wir uns zuversichtlich auf, den Versuch zu starten nach Hobart zu trampen. 5:30 Std. lang lächelten wir mit einem Schild in der Hand am Straßenrand. Ohne Erfolg. Zwar hielten ein paar Leute an, aber nur um sich zu entschuldigen, das sie keinen Platz hätten oder in die andere Richtung führen. 18:00 Uhr gingen wir zurück zum Visitorcenter, aßen CousCous und nahmen 19:30 Uhr den Bus nach Hobart.
In Hobart kamen wir 22:15 Uhr an und es war unerwartet warm. Schnell schulterten wir ein letztes Mal die Rucksäcke, verabschiedeten uns von unseren Mitwanderern und liefen zu Lisa und Danny. Diese begrüßten uns trotz der späten Stunde herzlich wie immer. Es wurden Geschichten ausgetauscht und gelacht bevor allen weit nach Mitternacht müde die Augen zufielen. Ein gelungenes Ende für eine tolle Wanderung.
The Overland Track in Tasmania from Thomas Guthmann on Vimeo.
Gedanken zum Abschluss
Der Overland Track gehört zwar vom Gelände her nicht zu den anspruchsvollsten Wanderwegen aber das Wetter kann diesen Weg sehr erschweren. Zur Sicherheit sollte man ohne gute Ausrüstung den Weg auch bei schönem Wetter nicht starten. Regenkleidung, Handschuhe und Mütze sind ein Muss. Trotz des fordernden Wetters und, obwohl keine Abstecher auf umliegende Berge möglich waren, hat uns der Overland Track sehr gut gefallen. Er kommt für uns nun direkt nach dem Laugavegur in Island auf unserem persönlichen Platz zwei unserer bisher erlebten Wanderungen.
Ferner denke ich haben wir eine gewisse Gelassenheit gegenüber Regen bzw. Matsch entwickelt. Denn sind die Füße erstmal nass oder dreckig wandert es sich ganz ungeniert. Des Weiteren haben wir bisher so viel starken Regen und so tiefen Matsch nirgends erlebt.
Obwohl wir – wie der Titel verlauten lässt – acht Tage lang nasse Füße hatten bekam ich keine Blasen oder irgendwelche Probleme mit meinen Füßen. Ich wanderte in den gleichen Schuhen wie beim John Muir Trail. Somit kann ich noch immer keine stimmige Lösung liefern, weshalb ich so starke Probleme auf dem John Muir Trail hatte.
Bis auf wenige Ausnahmen trafen wir nur nette und interessante Leute mit denen wir uns gut verstanden und kurzweilige Gespräche führen konnten. Es war immer schön anzusehen wie Sam mit seinen zwei Jungs auf dem Overland Track zurecht kam und wie viel Spaß sie zu dritt hatten. In Deutschland wäre so eine Wanderung für die meisten Teenager einfach nur „uncool“. Staunen konnte ich jeden Tag aufs neue über die zwei 10-jährigen Jungs: auch wenn sie 17 km wanderten spielten beide abends noch Ball und tobten herum. Ob ich damals zu meiner Grundschulzeit, als wir viele Ferien in Österreich verbrachten, auch so ein Energiebündel war? Ich glaube, ich wollte lieber an Flüssen spielen und irgendwelche Sachen bauen anstatt viel zu wandern.
7 Responses
Björn
Hey ihr 2,
wer braucht ein spannendes Buch, wenn er eure Berichte lesen kann? Hat sehr viel Spaß gemacht euch lesend zu folgen, besonders wenn man im Trockenen ist! Respekt, ihr habt euch mal wieder sehr tapfer geschlagen! Liebe Grüße und nun viel Spaß in NZ :-) Björn
Thomas
Heyho Björn!
Danke für dein Lob. Das geht runter wie Öl.
Auf bald
Thomas
Jörg
Schlehtes Wetter hin oder her. Bei dem Wetter fliegen wenigstens keine Mücken *anjohnmuirtraildenk*:D
Thomas
Hi Jörg!
Da hast Du recht. Überhaupt wurden wir die letzten Monate nicht mit Stechmücken konfrontiert. Eine Wohltat.
Viele Grüße aus Christchurch
Thomas
Michelle
Hallo zusammen
Toller Bericht und super Fotos! Wir haben uns schon gefragt, ob ihr es noch per Autostopp nach Hobart geschafft habt.
Liebe Grüsse aus Melbourne und geniesst Neuseeland
Laurent & MIchelle (die anderen sind bereits wieder in der kalten Schweiz)
doris
zu deinem vorletzten satz:
du warst ein unermüdliches energiebündel …
hattest interesse für die höchsten hütten, die glitzerndsten steine, klettern mit seil, augen für alles was sich bewegt hat… und konntest in den kalten gletscherflüssen die waghalsigsten staudämme bauen!!!
du warst einfach wunderbar für uns – nun begeistert ihr uns mit euren reiseabenteuern doppelt …
weiterhin viel glück!
Barney
Danke,
für deinen schönen Bericht.
Wir (58 +59) konnten den Trail dieses Jahr im Januar laufen – komplett im Sonnenschein.
Ich glaube – hätten wir eure Wetterbedingungen gehabt – wir wären verzweifeifelt.
Dennoch- auch für ums einer der schönsten Tracks – außer vielleicht noch der Milford Track in NZ.
Schreibt bitte weiter so schöne animierende Berichte!