Nachdem wir auf der Tasman Halbinsel die Cole Mines besichtigt hatten, machten wir uns auf zum Mill Creek Campground, unserer Ausgangsbasis für die 40 km lange Wanderung entlang der Fortescue Landzunge. Hierbei läuft man zu zwei Capes (Hauy und Pillar) und muss den dazwischen liegenden Mount Fortescue (490 m) überqueren.
Als wir am Morgen aufbrachen schien die Wettervorhersage Wort zu halten: leicht bewölkter Himmel mit viel Sonne. Auf gut ausgebauten Wegen (seit Monaten werden im Gebiet Fortescue Wanderwegarbeiten durchgeführt) ging es zum Cape Hauy.
Bereits nach 1,5 Stunden waren wir an unserem Etappenziel, dem Cape Hauy. Wir hatten es bei herrlichem Wetter ganz für uns. In weiter Ferne sahen wir Cape Pillar.
Wir liefen weiter auf gut ausgebauten Wegen Richtung Mount Fortescue bis wir plötzlich ein Schild erreichten, das uns auf die Wegarbeiten hinwies und, dass man nur am Wochenende wandern durfte. Es war Freitag somit war alles in Ordnung. Hätten wir allerdings gewusst was uns bei der Überquerung des Mount Fortescue bevorsteht, wären wir umgedreht!
Am Anfang des Urwaldpfades hatten wir von den Klippen eine herrlich Aussicht jedoch wurde der Pfad immer schmaler und war immer schwerer zu erkennen. Ich ging voran und sammelte ein Spinnennetz nach dem anderen ein: mal war es nur ein kleines, welches leicht kitzelte, andere waren richtig massiv, fast so zäh wie Fäden. Mit der Zeit klebte immer mehr Spinnenseide an mir.
Aufgrund des sonnigen Wetters waren wir in kurzen Hosen unterwegs. Ehe wir uns versahen waren unsere Beine blutig verkratzt von Gräsern und Büschen. Im Wald wurde es immer feuchter und der Weg immer schlammiger.
Auf einmal verspürte ich an meiner Wade ein komisches Gefühl: als ob ein Zopfgummi auf einer 5-Cent großen Stelle auf meine Haut drückte. Als ich nachschaute sah ich einen Blutegel, der sich an mir festsaugte. Als ich diesen mit viel Gezoppel und Gezerre ab bekam und Manu informieren wollte sah ich das Dilemma: etliche Blutegel arbeiten sich an meinen Schuhen und Socken empor. Ekelhaft! Ich rief zu Manu rüber sie solle ihre Schuhe kontrollieren. Bei ihr war es genauso schlimm. Minuten verbrachten wir damit die Viecher mit Stöcken runter zu kratzen. Aber je länger wir im Matsch standen desto mehr kamen wieder zurück. Gänsehautfeeling.
Also schnell weiter. Pustekuchen. Es wurde bald so steil, dass wir stellenweise auf allen Vieren hochkletterten. Alle paar Meter anhalten und Blutegel absammeln. Es war zum Haareraufen. Eigentlich wollten wir nur weg aus dieser Brutstädte, aber wir kamen nicht schnell genug voran.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir den Gipfel des Mount Fortescue. Es war einigermaßen trocken so dass wir ohne Blutsauger Durchschnaufen konnten. Doch die erhoffte Aussicht blieb uns dank dichtem Gestrüpp verwehrt.
Der Abstieg war zum Glück nicht so steil wie der Aufstieg, dafür mussten wir unzählige Male unsere Rucksäcke absatteln um über oder unter umgestürzten Bäumen hindurch zu kommen, welche kreuz und quer lagen. Uns ran der Schweiß von der Stirn. Oft musste ich an Stefan Glowacz und seinen Film „Jäger des Augenblicks“ denken. Ich kann ihre Strapazen im Brasilianischen Dschungel nun besser erahnen.
Dann kam wieder ein feuchter Abschnitt und wir hätten Schreien können, denn mittlerweile waren unsere Augen auf die gut getarnten Blutegel (wie winzige aufragende Stöckchen/Zweige sehen sie aus) geschulten und wir sahen sie zu Hunderten. Aufgrund des schlechten Weges kamen wir noch langsamer voran – wir hätten eine Machete gebraucht. Alle paar Meter Blutegel absammeln. Eine Zerreißprobe für unsere Nerven.
Gegen 16 Uhr erreichten wir die erste Campsite mit einer sicheren Wasserquelle. Allerdings getrauten wir es uns hier in diesem Feuchtgebiet nicht zu zelten. Vor meinem geistigen Auge sah ich am nächsten Morgen einen schwarzen Teppich aus Blutegeln in der Apsis unserer Zeltes …
Wir hatten sechs Liter Wasser dabei, so dass wir es wagen konnten weiter zu wandern. Wir kämpften uns gerade mal wieder über querliegend Bäume als wir wie aus dem Nichts auf einem gut ausgebauten Wanderweg standen. Das GPS zeigte an, dass wir gerade auf den Wanderweg zum Cape Pillar gestoßen waren. Dieser war so gut ausgebaut, wie der zum Cape Hauy.
Wir flogen regelrecht über diesen Wanderhighway. Euphorisch über unser Glück waren die Strapazen der vergangenen Stunden vergessen. Schnell erreichten wir eine weitere Campsite. Dort saß ein älterer Mann, der uns erzählte, dass der Weg so gut ausgebaut bis zum Cape Pillar bliebe.
In Hochstimmung wanderten wir weiter und erreichten nach 10 Stunden Wanderzeit die Stelle, welche laut Wanderführer erst für Ende Tag 2 vorgesehen war. Man waren wir gut.
Wir schlugen unser Zelt windgeschützt zwischen mannshohen Sträuchern auf der Hurricane Heath auf. Nach einem schnellen Abendessen fielen wir todmüde in unsere Schlafsäcke.
Am nächsten Tag waren wir bereits um 7 Uhr wach. Die Sonne hatte unser Zelt derart aufgeheizt, dass das Atmen schwerfiel.
Während dem Frühstück besprachen wir, dass wir nur mit Trinkblase und Kamera die letzten Kilometer zum Cape Pillar wandern würden. Zelt und Trekkingrucksäcke sollten hier zurückbleiben. Als ich meinen Rucksackdeckel öffnete, wäre ich fast rückwärts über unser Zelt gestolpert. In meinem Rucksack saß ein Skorpion. Mir wurde etwas anders zumute, da ich nicht wusste wie gefährlich dieser kleine Skorpion war. Zum Glück war er noch kältestarr und ich konnte ihn mit einem Stock wegschnippen. Was für ein Schockmoment. Wenn der in meinem Schuh, in den ich ohne nachzuschauen reingeschlüpft bin, gesessen hätte … Mittlerweile wollte ich nur noch, dass die Wanderung zu Ende ist.
Auf dem gut ausgebauten Wanderhighway ging es zum Cape Pillar. Als erstes nahmen wir „The Blade“ in Angriff. Eine aufragende Säule mit 360 Grad Fernsicht. Bei purem Sonnenschein bließ uns der Wind um die Ohren und wir fühlten uns wie Königin und König.
Den Weg zu den beiden anderen Aussichtspunkten schaften wir leider nicht. Der Weg was so schlecht wie über den Mount Fortescue und plötzlich standen wir vor einer 20 m steil aufragenden Felswand, wo es kein Vorwärtskommen mehr gab.
Schnell waren wir wieder zurück beim Zelt und packten – nicht ohne etliche Blicke nach Skorpionen – alles zusammen.
Mit schwerem Rucksack ging es den Wanderhighway zurück. Eine Nacht wollten wir noch im Busch verbringen bevor wir wieder zurück bei unserem Auto am Mill Creek sein würden.
Auf dem Weg zu unserem Übernachtungsplatz begegneten uns jedoch so viele Tigersnakes und eine aggressive braune Schlange, welche unter dem Plankenweg lauerte, so dass wir beschlossen bis zum Auto durchzuwandern. Als wir unseren angedachten Übernachtungsplatz (Bare Knoll) erreichten war dieser so voll, dass es für uns eh keinen Platz mehr gegeben hätte.
Durch sumpfiges Gelände, zu unserem Glück als Plankenweg, flogen wir regelrecht dem Mill Creek entgegen.
Nach Abschluss dieser Buschwanderung ist unser Respekt für Tierfilmer und Produzenten von Naturdokus um einiges gestiegen, da diese sich mit schweren Equipment durch unwegsames Gelände arbeiten und sicherlich auch den ein oder anderen Blutegel (oder noch schlimmeres) an sich kleben haben.
Update 06.01.15:
10 Responses
doris
spannender bericht, doch nach dem studium der giftigen tiere und inspektion eurer urwaldwege wurde mir mulmig zu mute …
ein angriffslustiger skorpion nimmt eine drohhaltung ein!
ich habe im internet geschichten gelesen, wo der skorpion in die gesichtsbacke gestochen hat, als der schläfer ihn nachts vom gesicht wischen wollte, als er das kitzeln merkte!
weiterhin viel glück für euch …
doris
damit ichs nicht vergesse: natürlich auch großartige fotos!
Thomas
Moin Moin!
Also eine Drohhaltung hat der Skorpion nicht eingenommen.
Wir schlafen in einem Zelt, welches nachts immer zu ist. Ist auch gut so, wenn wir sehen was alles übers Innenzelt kriecht …
Greetz aus Grindelwald
Thomas
Alexander
Hallo Thomas,
erst einmal frohes Neues euch beiden. Bei Skorpionen gilt die Faustregel(!): große Scheren (und somit meist kleiner Stachel) = weniger giftig. großer Stachel (meist kleinere Scheren) = giftig und für den Menschen potenziell tödlich
LG
Alex
Thomas
Hi Alex!
Danke für die Info. Nächste Woche schnüren wir wieder die Wanderschuhe für den Overland Track, hoffentlich begegnet uns kein Skorpion.
Viele Grüße aus dem tasmanischen Grindelwald
Thomas
Björn
Hi Tom,
superspannender Bericht. Man fühlt sich als Teil eurer „Wandergruppe“ – macht sehr viel Spaß euch zu folgen! :-)
Weiterhin alles Gute für euch und viele tolle Abenteuer!
Liebe Grüße
Björn
Thomas
Hi Radler!
Freut uns, dass Dir unsere Berichte gefallen. :-)
Der Overland Track steht nun an. Hoffe, dass wir auch hier eine interessante Wandergeschichte schreiben können.
Liebe Grüße aus der Ferne
Thomas
Markus
Was ein Abenteuer!
doris
zu deinem update v. 6.1.:
Vaseline + Menthol gegen Blutegel …
hört sich an wie Pferdesalbe, hilft für und gegen einiges …
ihr seht, es lohnt sich immer mal wieder durch „alte“ reiseberichte zu stöbern …
Jörg
In Tasmanien soll es laut Wikipedia nur eine einzige Art von Skorpionen geben: Cercophonius squama
Wenn das stimmt, dann könnt ihr euch freuen! :)